An Hrn. Dames.
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Antwort auf die in der Leibniz-Sitzung der Akademie der Wissen¬
schaften am 30. Juni 1892 gehaltene Antrittsrede des Hrn. Dames.
(Sitzungsberichte usw. 1892, S. 609—610.)
Es ist ein merkwürdiger Zug, Herr Dames, in der
Geschichte dieser Akademie, daß aus ihr eine Wissen¬
schaft einen besonders starken Antrieb erhielt, welche
der Natur unserer norddeutschen Ebene, unserer ver¬
rufenen Mark Brandenburg, eigentlich am fernsten zu
liegen schien. Die Geologie, in etwas weiterem Sinne,
ist so sehr ein Lieblingskind der Berliner Akademie ge¬
wesen, daß die drei Büsten von Akademikern, welche
diesen Saal schmücken, die einzigen, die wir im Gegen¬
satz zu dem Walde von Brustbildern im Vorsaal zur
Académie des Sciences aufstellten, die von drei Geologen
sind. Denn wenn auch, neben der Differentialrechnung
und dem wahren Kräftemaß, die Protogäa an Bedeutung
weit zurücktritt, ist doch LEiBNizens Name auch mit den
Anfängen der Geologie untrennbar verknüpft. Im Geist
über unseren Pallas fort, der zuerst die gesetzmäßige
Übereinanderlagerung der granitischen, der geschichteten
und der Kalkgesteine erkannte und das sibirische Mam-
muthgräberfeld aufdeckte, wendet sich dann unser Blick
auf Alexander von Humboldt und Leopold von Buch,
die dort zu LEiBNizens Seite in Marmor auf uns herab¬
sehen. Aus Werner’s neptunistischer Schule im Erz¬
gebirge hervorgegangen, wurden auf verschiedenen Wegen
und in verschiedenen Weltteilen diese beiden Heroen
die Begründer des Vulkanismus, und übten auf unsere
ganze Naturanschauung einen Einfluß aus, von dessen
Größe wir uns kaum noch eine Vorstellung machen.
Mit Stolz darf die Akademie auf solche Taten
zurückblicken, wodurch eins der wichtigsten Glieder der
Gedankenkette entstand, welche heute vom kreisenden
Nebel, aus dem Sonne und Planeten sich ballten, bis
zum Bewußtsein erzeugenden Menschenhirne reicht. Auch
nachdem Cuvier’s mächtiges Gestaltungsvermögen die
untergegangenen Tiergeschlechter gleichsam wiederbelebt
hatte, blieb unsere Akademie in der Mitarbeit an diesem
neuen Zweige der Schöpfungsgeschichte nicht zurück,
E. du Bois-Reymond, Reden. II. 41