Brief an Altenstein.
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<Anat°niie ’ von Hildebrandt gibt eine Zusammenstellung,
was und von wem etwas in diesem schwierigsten Teile
der Anatomie geleistet worden. In Deutschland allein
ist dies vollbracht worden, und unter den Anatomen
Preußens sind es v. Baer und ich, welche das ihrige hier
getan, eine Gesellschaft, die mir nur sehr zur Ehre ge¬
reichen kann. Ew. Exzellenz kennen die Fortschritte
unserer Wissenschaft so gut wie wir selbst und beur¬
teilen, was dem Zustand der Wissenschaft vor 20 Jahren
und was heutzutage angemessen ist, Ew. Exzellenz wissen
diesen Zustand in dem Überblick der anderen Wissen¬
schaften wohl noch besser als wir selbst zu würdigen.
Hochdieselben haben gewiß in Erwägung nehmen wollen,
ob dieser Impuls der Wissenschaft, auf welchen man in
Deutschland, Frankreich, England mit freudiger Aner¬
kennung hinweiset, nicht auch bei der Besetzung von
Rudolphi’s Stelle Beachtung verdient. Es könnte nicht
gleichgültig für den Zustand des wissenschaftlichen Lebens
bleiben, wenn jemand diesen Sitz einnähme, welcher
dieser Vervollkommnung der Anatomie und der Physio¬
logie gänzlich fremd geblieben ist. Schon Rudolphi war
ihr fremd geblieben, aber durch Alter, und der hatte in
seiner Jugendzeit Großartiges genug geleistet. Indem in
unserem Staate schon durch C. Fr. Wolff vor 80 Jahren
diese Bahn gebrochen, aber durch unglückliche Verhält¬
nisse vergessen wurde, nun aber vorzüglich wieder durch
Anatomen unseres Staates mit glänzendem und allge¬
mein freudig anerkanntem Erfolg durchgeführt worden,
kann Berlin allein gleichsam die Verpflichtung erfüllen,
durch seine großartigen Hilfsmittel eine dieses Auf¬
schwunges und der ferneren Früchte würdige Stätte ab¬
zugeben.78
„Ew. Exzellenz kennen meine hiesigen Verhältnisse.
Hochdieselben haben immer gnädig anerkennen wollen,
wie viel hier mit wenig Mitteln gelungen ist. Befreundete
des Inlandes und Auslandes und ich selbst halten mich
für berufen ein großes Institut zu leiten, am hiesigen
Ort wird sich niemals eine Gelegenheit für meine ganze
Wirksamkeit eröffnen. Indem ich nun in voller Kraft
jjes jugendlichen Mannesalters fühle, was ich zu wirken
fähig wäre, fühle ich mich verpflichtet und gedrungen
E- du Bois-Reymond, Reden. I. 12