512
J. Bo ek e ,
8. Die Überbrückung grosser Nervenlücken.
Während es bei den zur Untersuchung der autogenen Regeneration
angestellten Experimenten gerade darauf ankam, eine klaffende, nicht zu
überbrückende Nervenlücke zu schaffen, so sind hingegen zur Überbrückung
grosser Nervenlücken besonders in den letzten Jahren eine Reihe von Me¬
thoden empfohlen und während . des Krieges zur praktischen Anwendung
gebracht worden. In vielen Fällen gelingt es durch Verlagerung der Nerven-
stümpfe oder Abspaltung einzelner Bündel (Lappenplastik) die Nervenenden
einander zu nähern und direkt durch Naht zu vereinigen. Es bleiben aber
bei grossen Verwundungen Fälle übrig, bei denen der Defekt so gross ist,
dass andere Wege eingeschlagen werden müssen. Bis zum Beginn des Welt¬
krieges lagen auf diesem Gebiete fast nur experimentelle Erfahrungen vor.
Im Kriege ist das natürlich anders geworden, und eine Reihe neuer Methoden
wurden für therapeutische Zwecke empfohlen. Uns interessieren hier nur die
allgemeinen Ergebnisse dieser Versuche und ihre physiologische Bedeutung.
Ausführlich werden alle diese Methoden besprochen in der grossen
Arbeit von Bielschowsky und Unger aus dem Jahre 1917, auf welche
ich den Leser verweisen will. Hier werde ich nur die physiologisch wichtigen
Beobachtungen und Experimente zur Sprache bringen.
Die Versuche Hofmeisters (135), den proximalen und distalen Nerven¬
stumpf in einen gesunden Nerven der Nachbarschaft einzupflanzen, damit der
gesunde Nervenstrang neben seiner eigenen Leitung auch die Verbindung
zwischen den beiden Stümpfen des verletzten übernehme, gingen von der
irrtümlichen Voraussetzung aus, dass das gesunde Nervengewebe eine leitende
Verbindung mit den Stümpfen angehen könne. Mit Recht heben Biel¬
schowsky und Unger hervor, dass das nur der Fall sein könne, wenn
ein Teil des gesunden Nerven zur Degeneration gebracht wird, und dann ist
der Versuch zu einem Transplantationsversuch im Sinne Merzbachers
und Forsmanns zurückgebracht. Wohl kann das perineurale Bindegewebe
des gesunden Nervenstranges als Leitgewebe den regenerierenden Nervenfasern
den richtigen Weg zeigen, falls sich natürlich kein Amputationsneurom an
der Einpflanzungsstelle entwickelt. Ranschburg hat (nach Bielschowsky
und Unger) die Ergebnisse von Hof meist er einer scharfen Kritik unter¬
zogen und meint, die Resultate Hofmeisters seien von Faktoren, welche
ausserhalb des Operationsplanes lagen, abhängig gewesen.
In anderer Richtung bewegen sich die Experimente, welche For sman n
(107) am Ende seiner Arbeit über den Neurotropismus beschreibt, und die
sich anschliessenden Versuche von Bethe (34), Hohmann (137), Spiel¬
meyer (137, 261), Enderlen und Lobenhoffer (99), Eden (94), Biel¬
schowsky und Unger (42), Tello (283 a) und Ingebrigtsen (145), bei
denen, wie es schon früher von Merzbacher (200) und Marinesco (184)