192 VII. Die geodätisch-kulturtechnische Abteilung in ihren Studieneinrichtungen.
Wenn man jetzt zwei wohlorganisierte Lehrstätten für angehende
Landmesser, zu Berlin und Poppelsdorf, im vollen Betriebe sieht und
dabei nur bedauern mug, dag nicht jeder, der es könnte, von der ihm
gebotenen Bildungsgelegenheit den richtigen Gebrauch macht, möchte
man den Blick der Jugend auf jene Männer lenken, die, „ihre eigenen
Bildner und Schöpfer“, Jahrzehnte vor Eröffnung der ersten Vor¬
lesungen für Landmesser die Vermessungsarbeiten des preugischen
Katasters und der Generalkommissionen auf eine solche Stufe erhoben
haben, dag sie vielfach als vorbildlich für andere Länder, auch für das
Ausland gelten durften. Unter jenen Männern war einer, der jetzt in
den Ruhestand getretene Wirkliche Geheime Rat Dr. h. c. Friedrich
Gustav Gaug, Exzellenz, dazu berufen, eine der grögten Aufgaben, die
je einem Katasterbeamten zugefallen sind, zu lösen: die Leitung des
Vermessungswesens bei Neuregelung der Grundsteuer in der gesamten
preugischen Monarchie 1861—1878. Wie ein hochbegabter, aber auch
mit eisernem Fleig und unerschütterlicher Pflichttreue gerüsteter
Mann an und mit seinem Werk emporwächst, wie er an Ein¬
flug gewinnt und dann in weite Gebiete seines Faches segensreich
eingreifen kann, dafür bietet das Leben von F. G. Gaug ein er¬
hebendes Beispiel*). Auch zu unserer Hochschule trat Gaug schon bei
den Vorberatungen zur Gründung der geodätisch-kulturtechnischen
Abteilung und dann als Vorsitzender der königlichen Oberprüfungs¬
kommission für Landmesser in (noch jetzt) dauernde Beziehung.
Gelegentlich von Gaug’ fünfzigjährigem Dienstjubiläum kamen die Mit¬
glieder der Abordnung, welche den Glückwunsch der Hochschule zu
überreichen hatte, angesichts von soviel Zeichen aufrichtiger Verehrung**)
auf den Gedanken, die Aufstellung einer Marmorbüste von Gaug in dem
für die Geodäten erbauten Hörsaal zu beantragen. Die Büste, von
Reinhold Felderhoff ausgeführt, ist hier abgebildet. Sie soll den
Studierenden davon erzählen, dag F. G. Gaug einst, wie sie, als
schlichter Landmesserzögling begonnen hat, und sie auffordern, ihm an
Willenskraft und Pflichttreue auch später zu gleichen. (Abb. 38.)
2. Das mathematische Seminar.
Das Seminar hat die Aufgabe, den Studierenden Gelegenheit einer¬
seits zur Wiederauffrischung elementarer Kenntnisse, andererseits aber
und vornehmlich zur Durcharbeitung und Einübung des in den Vor-
*) Vergl. Otto Koll: Zum fünfzigjährigen Dienstjubiläum von Friedrich
Gustav Gaug, Zeitschr. f. Vermessungswesen, 1899, Heft 3.
**) Die Katasterbeamten errichteten eine Gaugstiftung, die von dem Ge¬
feierten zur Unterstützung Geodäsie studierender Söhne von Katasterbeamten
bestimmt ward.