20. Das tierphysiologische Institut.
161
wurde namentlich unsere Auffassung von der Bedeutung des Eiweißes
unter den Nährstoffen durch Jahrzehnte verschoben.
Zur Zeit der Begründung des Instituts schienen dem Referenten
die Beziehungen zwischen Nahrung und Kraftleistung des Körpers am
meisten geeignet, die Vorgänge der Ernährung und des Stoffwechsels
einheitlich zu deuten und verständlich zu machen. Es war ihm im Verein
mit v. Mering gelungen, nachzuweisen, dag die damals üblichen
Vorstellungen, als bedinge die Nahrung die Intensität der Umsetzungen
in ähnlicher Weise wie Art und Menge des Brennmaterials die Größe
des Feuers in einem Ofen, nicht richtig sei. Dag vielmehr die Nahrung
nur insoweit den Stoffwechsel steigert, wie sie dem Verdauungsapparat
Arbeit auferlegt. Aber noch eine zweite grundlegende Tatsache ergab
sich bei jenen Untersuchungen, die nämlich, daß es chemische Substanzen
von fermentartiger Wirkung gibt, welche den Umsatz im Tierkörper
steigern, so lange sie im Blut zirkulieren.
An diese Erfahrungen knüpften die ersten Arbeiten im neuen In¬
stitut an. Bald konnte diesen Arbeiten ein größerer Umfang gegeben
werden, weil sich aus den Kreisen der in Berlin lebenden Naturforscher
und Ärzte selbstlose Mitarbeiter an den Aufgaben des Instituts fanden.
So wurde allmählich der Einflug der äußeren Reize, der Temperatur,
des Lichtes und des die Wirkung aller dieser Reize vermittelnden
zentralen Nervensystems auf den Stoffwechsel aufs neue und zum teil
von neuen Gesichtspunkten aus untersucht. Andererseits kam der Gedanke,
dag die Leistungen des Organismus die Größe seines Stoffverbrauchs
bedingten, zur exakten Prüfung und Ausgestaltung in den Untersuchungen
über den Stoffverbrauch bei der Muskeltätigkeit. In diesen Untersuchungen
wurde die Art und Größe des Stoffverbrauchs bei den verschiedenen
Formen der Muskeltätigkeit, also der Arbeit des Menschen und der
wichtigsten Haustiere einer genauen Messung unterworfen. Angesichts
der enormen Wichtigkeit, welche die Beziehungen zwischen Leistung
und Stoffverbrauch der Tiere besitzen, werden diese Untersuchungen
bis heute noch fortgesetzt. Eine Art Gegenstück zu ihnen bilden Unter¬
suchungen an Tieren, bei denen die Muskeltätigkeit künstlich vollkommen
ausgeschlossen ist. Bei ihnen verläuft der Stoffverbrauch mit einer
außerordentlichen Gleichmäßigkeit, und so ergab sich die Möglichkeit,
den Einfluß verschiedenartiger chemischer Stoffe, der Bestandteile der
Nahrung, und der Absonderungen der einzelnen Organe des Körpers
auf die Stoffwechselvorgänge zu studieren. Besonders bedeutungsvoll
unter diesen Untersuchungen erscheinen diejenigen, welche den Einfluß
der Geschlechtsdrüsen und der Schilddrüse auf den Stoffwechsel er¬
wiesen haben.
Bei all diesen Untersuchungen war es die Atmung, deren Messung
den exakten Ausdruck für die Größe der Stoffwechselvorgänge abgab.
Festschrift d. landvv. Hochschule. 11