II. Geschichtliches.
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meinung wegen der neuen Professur umständlich und nachdrücklich er¬
öffnet und dabei den Wunsch ausgesprochen, dag von der studierenden
Jugend die Wissenschaft eifrig gepflegt werden möge.
Roscher bezeichnet die Errichtung dieser Lehrstühle als Epoche
machend für die Geschichte der Volkswirtschaftslehre; sie war es aber
auch für die Geschichte der Landwirtschaftslehre, denn gar bald wurden
auch an anderen Orten Professuren für Ökonomie und Kameralwissen-
schaften errichtet, in Rinteln 1730, Prag 1742, Braunschweig 1745,
Wien 1752, Erfurt 1763, Prag 1766, Göttingen 1768*). Man hat an den
Kameralisten getadelt, dag sie zu sehr das Verwaltungsrecht, was freilich
für die damaligen Verhältnisse die Hauptsache war, betonten, dag viele
nur Juristen gewesen seien und von der Praxis der Landwirtschaft nicht
viel verstanden hätten; aber die Männer, welche Friedrich Wilhelm I.
berief, waren Praktiker und viele spätere sind es auch gewesen.
Immerhin führte der Mangel an Praxis dazu, dag die Kurpfälzisch¬
ökonomische Gesellschaft zu Lautern (Kaiserslautern) 1774 eine „hohe
Kameralschule“, mit der ein Landgut „Siegelbach“ verbunden war,
errichtete und so die Grundlage zu den späteren landwirtschaftlichen
Akademien legte. Freilich ward diese Hochschule schon 1784 wieder
aufgehoben und als Ersatz dafür ein Kamerallehrstuhl an der Universität
Heidelberg geschaffen.
Aber auch einzelne Kameralisten an den Universitäten sahen ein,
dag es ohne ein Versuchsgut nicht ginge. G. H. Borowski, Erb-, Lehn-
und Gerichtsherr auf Greeden, Professor der Ökonomie und Natur¬
geschichte an der Universität Frankfurt a. 0., machte 1789 dem Staats¬
und Justizminister von Wöllner den Vorschlag, eine landesherrschaftliche
praktisch-ökonomische Akademie zu gründen**) und 1795 veröffentlichte
er „Plan und Ankündigung einer privaten theoretischen und praktisch¬
ökonomischen Lehranstalt für Landwirte der höheren Klasse, welche mit
allerhöchster Approbation und Bestätigung Seiner Majestät des Königs
von Preugen zu Frankfurt a. 0. errichtet und den 1. Mai 1795 eröffnet
werden soll.“
Das Aufblühen der Naturwissenschaften gegen Ende des 18. Jahr¬
hunderts wirkte auch auf die Landwirtschaft günstig ein und verhalf
der Landwirtschaftslehre zu grögerem Ansehen. So wurden an einigen
Universitäten sogar eigene ökonomische Fakultäten eingerichtet; als
erste 1777 die ökonomische (kameralistische, staatswirtschaftliche)
Fakultät in Giegen, 1782 die an der Akademie in Stuttgart.
*) Meitzen, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse Preußens
Bd. Ill, S. 499. — Nach ihm, Bd. II S. 12, hat schon Thomasius in Halle um 1700
Landwirtschaft als Teil der Kameralistik gelesen.
**) Borowski, Ideal einer praktisch-ökonomischen Landes - Akademie
Berlin 1789.