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J. Poirot, Die Phonetik.
Über die Bedingungen, die ein genau arbeitendes Telephon bzw. Mikro¬
phon zu erfüllen hat, ist noch ziemlich wenig bekannt, und die Konstruktion
ist vorwiegend empirisch. Es sei hier auf zwei Punkte hingewiesen:
1. Einfluß der schwingenden Membran. Die Arbeiten der letzten Jahre
haben das Problem wesentlich gefördert. Wiersch (147) zeigte, daß die
Membranen mit tiefem Eigenton (größere Dimensionen, nicht starke Spannung,
usw.) auf die höheren Schwingungen (hohen Obertöne) nicht gut reagieren,
und daß man den Eigenton erhöhen muß, um ein besseres Resultat zu er¬
zielen; dadurch wird aber nach dem Nachweis von M. Wien (148) die
Amplitude enorm herabgesetzt.*)
2. Einfluß des Stromkreises. — Diese Frage ist besonders von
du Bois-Reymond (149), Weber (150), Helmholtz (151) und Hermann
(152) untersucht worden. Es handelt sich darum, wie sich die Amplituden
und die Phasen der Teiltöne auf dem Wege zwischen Aufnehmer und Ab¬
geber verhalten. Die Verhältnisse sind kompliziert und lassen sich in
geschlossener Form nur unter gewissen Annahmen darstellen. Man hat
besonders die Induktionen zu berücksichtigen: Einfluß der Membranen auf
die Spule, der Induktionskreise aufeinander, Selbstinduktion der Kreise usw.
Aus der Arbeit Hermanns geht jedoch hervor, daß es unter Anwendung
eines Telephons als Aufnehmer gelingt, die Übertragung theoretisch ohne
Änderung der Amplitudenverhältnisse (und unendlich kleiner Phasenver¬
schiebung) zu gestalten, wenn der Widerstand des Telephonkreises (bzw. der
zwischengeschalteten Induktionskreise) im Verhältnis zum Potential der
Spulen auf sich selbst sehr klein ist. Dient das Mikrophon als Aufnehmer,
so muß der Telephonkreis mit dem Mikrophonkreis durch eine Induktions¬
vorrichtung verbunden sein, deren Potential gegen die Widerstände und das
Potential des Telephonkreises groß ist. — Immerhin sind es ja angenäherte
Lösungen.
Daß die Übertragung nie absolut getreu ist, weiß jeder aus der eigenen
Erfahrung; die Verunstaltung des Klanges kann aber ebensogut von der
Membran wie von dem Stromkreis herrühren. Was die Bewegung der
Membran betrifft, so würde sie sich in einem guten Apparat (mit genügender
Dämpfung) durch die Gleichung gedämpfter Bewegungen ausdrücken lassen.
Ist t die Zeit, x die Elongation der Membran, M die Masse, A die Dämpfungs¬
konstante (hier aus Reibung, Induktion usw. bestehend), B die Elastizitäts¬
konstante (die die Membran zur Ruhelage zurückzieht), C die Amplitude der
bewegenden Kraft (hier die Stimme), und
Schwingungsperiode), so lautet die Gleichung
weiter m = (T ist die
(4)
M Ajf- + A-j~ + Bx=C sin rot,
eine schematische Gleichung, die wir weiter unten noch antreffen werden.
Sie gilt aber nur unter der Voraussetzung, daß die Bewegungsfrequenz be¬
deutend unter der eigenen Schwingungsfrequenz der Membran liegt; in
1) Die Originale konnten nicht mehr rechtzeitig angetrieben werden; ich entnehme
obige Ausführungen dem Werke Auerbachs (106).