Die Untersuchung der Sprechbewegungen.
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Den Hauptvorteil dieses Verfahrens sehe ich darin, daß die einzelnen
Originale nachträglich studiert werden können; und die Berußung verdient
deshalb den Vorzug, weil der Ruß sich gleichmäßig verteilt, was mit den
Pulvern nie erreicht wird. Letzterer Umstand ist aber sehr wichtig, da der
Kontakt der Zunge nicht überall gleich stark ist und die Unterscheidung
der Flächen fester Berührung von den Zonen losen Kontaktes, besonders
bei mouillierten Lauten, nur mit dem Ruß verfahren sicher vorzunehmen
ist. — Mit dem Färbungsverfahren Gutzmanns teilt es auch den Vorzug,
daß die Verteilung der Berührungsflächen auf der Zunge selbst leicht und
genau zu bestimmen ist. Mit Recht hebt Gutzmann hervor, daß die Nicht¬
berücksichtigung der Zungenkontakte ein Mangel der früheren palato-
graphischen Untersuchung gewesen ist. Seit mehreren Jahren habe ich auch
stets die Zungenartikulation festgestellt.
Hinsichtlich der Aufzeichnung der Berührungsgebiete ist die Anwendung
des losen Gaumens zweifellos bequemer als das Färbungs verfahr en. Dieser
Vorteil wird aber von dem Nachteil aufgewogen, daß die Gaumenfläche um
die Dicke der losen Platte herabsinkt, und daß das erhaltene Bild nicht
absolut exakt ist. Auch besteht die Gefahr, daß der Gaumen nicht überall
gleich genau anliegt, was besonders von dem auf Reisen improvisierten,
mehr oder weniger unvollkommenen Gaumen gilt. Die Dicke des losen
Gaumens läßt sich aber reduzieren. Was die Aussage Rousselots betrifft,
daß „die Dicke der Platte sich jeder Artikulation addiert, und daß man
annehmen kann, daß die Verhältnisse zwischen den Artikulationen unver¬
ändert bleiben“, so befriedigt sie Jespersen (6) nicht (S. 123), und tatsäch¬
lich kann man vermuten, daß sie nicht streng richtig ist. Lenz (65) bemerkt
nämlich, daß die Wölbung des Gaumens nicht gleichmäßig ist; in der vorderen
Hälfte nimmt sie sagittal zu und transversal ab, und an der Grenze zwischen
beiden Hälften bewirkt eine geringe absolute Verschiebung der Zunge weit
größere Änderungen der Lautqualität als sonst, und speziell im Hinterteil.
Es wäre also gut möglich, daß die Artikulationsbilder der prä- und medio¬
palatalen Laute durch den losen Gaumen nicht unbedeutend verändert würden.
Immerhin gibt die Methode sehr wertvolle Resultate. Ich selber halte beide
Verfahren, mit Rücksicht auf deren Nachteile, für ungefähr gleichwertig; im
allgemeinen glaube ich aber, daß die Palatographie, wegen der ihr anhaftenden
technischen Schwierigkeiten, sich für Reiseexpeditionen nicht so gut eignet,
wie es manche Forscher anzunehmen scheinen.
Die charakteristischen Merkmale der Artikulationen werden auf den
Palatogrammen in der horizontalen Ebene markiert. In der Phonetik be¬
zeichnet man aber gewönlich die Artikulationen nach dem Sagittalschnitt der
Mundhöhle; daher müssen die Palatogramme übersetzt werden. Lenz (65)
hat dazu die nötigen Figuren angegeben.
Nach der Absendung des Manuskriptes bekam ich durch die Güte des
Verfassers die sorgfältige Arbeit von E. A.Meyer (205), wo eine Modifikation
des palatographischen Verfahrens beschrieben wird, welche eine Aufnahme
des Zungenprofils erlaubt. Dieses „plastographische“ Verfahren besteht
darin, daß man nach Anfertigung des losen Gaumens in einem dünnen Zinn¬
streifen längliche, dünne Fäden schneidet, so daß der Streifen ein kamm¬
artiges Aussehen bekommt. Der obere, zusammenhängende Teil des Streifens