Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

Die Untersuchung der Sprechbewegungen. 
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von allen Versuchsmethoden vielleicht die verbreitetste. Für klinische Zwecke 
ist sie zuerst von Oakley Coles (59) angewendet worden, der den Gaumen 
mit einem Brei aus Mehl und Gummi arabicum bestrich. Grützner (60) 
bestreicht die getrocknete Zunge mit einer Aquarellfarbe (Carmin, chinesische 
Tusche, Ultramarinblau o. dgl.), und betrachtet nach erfolgter Aussprache 
die am Gaumen hinterlassenen Spuren. Gutzmann (9) bestreicht umgekehrt 
den Gaumen mit Farbe, die von der Zunge abgenommen wird. Die Beo¬ 
bachtung geschieht mit der Hilfe eines großen, in den Mund gesteckten 
Kehlkopfspiegels und eines vor dem Munde gehaltenen Spiegels. Der Abriß 
wird auf einem Abguß des Gaumens (bzw. einer Projektion desselben auf 
Papier) punktweise gezeichnet (s. z. B. Fig. 26). 
Fig. 26. 
Zungenartikulation und Palatogramm des deutschen sch 
nach Gutzmann. 
Diese Methode hat den Vorteil, daß die Aussprache durch keine Auf¬ 
legung von Apparaten gestört wird. Dagegen ist die Art der nachträglichen 
Aufzeichnung doch zeitraubend und unbequem, da man mit offenem Munde 
und unbeweglicher Zunge eine Zeitlang sitzen muß. Sie erfordert also eine 
besondere Übung, die eine wohltrainierte Person, bzw. ein Fachmann besitzt; 
auf weniger geübte Versuchspersonen ist aber die Anwendung wahrschein¬ 
lich schwieriger. 
Solche Erwägungen führten andere Forscher dazu, als Aufnahmefläche 
einen abnehmbaren, dünnen Abguß der Gaumenwölbung (künstlichen oder 
losen Gaumen) anzuwenden, der mit irgendeinem Pulver bestrichen, auf 
den Gaumen gelegt und nach erfolgter Aussprache herausgenommen und 
aufgezeichnet wird. Dieses Verfahren wurde zuerst von Kingsley (61) ein¬ 
geführt. Den losen Gaumen, der nur den harten Gaumen umfaßt (Kingsley 
erweiterte ihn mit Unrecht bis weit auf das Segel), läßt man am besten von einem 
Zahnarzt aus dünnem Hartgummi oder aus Metall (z. B. Aluminiumlegierung) 
anfertigen. Man kann ihn auch selbst galvanoplastisch herstell en; doch 
möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die ganze Technik (Bereitung 
des Abgusses für das Kupferbad und Einrichtung eines passenden Stromes) 
keineswegs so einfach ist, wie man glauben könnte, sondern eine gewisse 
Übung erfordert, um einen gleichmäßig dicken, feinkörnigen Beschlag zu 
erhalten. Auf Reisen empfiehlt Rousselot (7) den Gaumen auf dem Abguß 
mit den Fingern zu modellieren und dazu die nötige Anzahl von aufeinander 
gelegten und geklebten Zinnfolien bzw. von Filtrierpapierblättern zu nehmen. 
Montalb etti (62) hat eine besondere, rasch trocknende Flüssigkeit präpariert, 
die er »ouranine« nennt und die denselben Dienst leistet.
	        
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