Die Untersuchung der Sprechbewegungen.
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mit den Lippen. Der Abstand der Fühlarme wird durch die neben den
Spiralfedern sichtbaren Schrauben reguliert; er muß natürlich nach dem
größten in der Sprache vorkommenden Lippenabstand (a, bzw. sehr offenes ä)
geregelt werden. Der Apparat ist so gut äquilibriert, daß er bei Lippen¬
schluß die Spannungsunterschiede (Druck der Unterlippe gegen die Ober¬
lippe) mit feiner Abstufung verzeichnet. Die zwischenliegende Spitze dient
zur Abszissenschreibung. Der Apparat ist für Seitenschrift gebaut; er ließe
sich aber leicht für Stirnschrift umändern. Die Fühlarme schlagen bei
Lippenschluß gegeneinander; es ist aber leicht, den Apparat dahin zu ver¬
bessern, daß die Arme nebeneinander kommen.
Natürlich müssen die Labiographen dieser Kategorie an einem Stativ
festgeschraubt werden und erfordern, daß die Versuchsperson den Kopf
unbeweglich hält, was aber keine Schwierigkeit darbietet. Sie geben die verti¬
kalen Bewegungen unmittelbar und in bestimmter Skala wieder; sie vermeiden
die bei den Apparaten mit Luftübertragung nötige Eichung, die um so
unbequemer ist, als sie mit jeder neuen Kapsel neu vorzunehmen ist. Eine
Störung der Aussprache habe ich nie bemerkt. Allerdings sind die hori¬
zontalen Bewegungen nicht registriert; es gibt aber bis jetzt, so viel ich
sehen kann, keine Einrichtung, welche beide Bewegungen gleichzeitig und
einwandsfrei aufschriebe.
VI. Die Zunge und der Mundboden.
A. Direkte Messungen. — Zur Messung der Zungen Stellungen hat
H. W. Atkinson (57) einen Apparat1) konstruiert, „the mouth-measurer“
(Fig. 25). Eine kleine Metallhülse enthält einen durch eine äußere Spirale
beweglichen Fühldraht; sie wird an 3 Bingen mit 3 Fingern gehalten, während
der Daumen die Spirale verschiebt. Nahe am Ende der Röhre ist eine
andere, auch verschiebbare, mit einem Haken versehene Drahtspirale ange¬
bracht. Um eine Messung vorzunehmen, stellt man diesen Haken so, daß
er sich gegen die oberen Vorderzähne in der Mittellinie anstemmt; während
der Untersuchte den Laut anhaltend ausspricht, schiebt man den Fühldraht
bis zur Berührung der Zungenoberfläche (bzw. des Vélums). Der Apparat wird
aus dem Munde herausgezogen und auf einen Abguß der Gaumenwölbung
appliziert, wo der vertikale Abstand zwischen der Gaumenöberfläche und
der Spitze des Fühldrahtes gemessen wird. Nimmt man diese Messung
längs der Mittellinie der Mundhöhle (einschl. Velum) systematisch vor, so erhält
man punktweise das Profil der Zunge und des Gaumens. Eigentlich gebraucht
man zwei Apparate, die nur durch die Richtung des Fühldrahtes ab weichen;
bei dem einen ist er nach unten, beim anderen nach oben gerichtet. Das
Verfahren Atkinsons ist von Stolze (58) unbedeutend modifiziert worden.
Den Abguß des harten Gaumens kann man von einem Zahnarzt be¬
stellen; es ist aber leicht, einen solchen selbst anzufertigen. Am besten wird
der rötliche Modellierstoff der Zahnärzte (godiva, stents o. dgl.) genommen. Die
Masse wird in warmem Wasser (ca. 60°) erweicht, auf eine besondere Form
1) Erhältlich vom Erfinder, H. W. Atkinson, West view, Eastbury Avenue,
Northwood, Middlesex. Preis 8 shill. 6 pence. (Angabe nach einem dem Maître phoné¬
tique beigegebenen Katalog vom Erfinder; die Eig. 25 stammt auch davon her.)