Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

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J. Poirot, Die Phonetik. 
Daher halfen sich die ersten Forscher1), die sich damit beschäftigten, 
damit, daß sie das Profil der beweglichen Teile künstlich durch die Auf¬ 
legung von Metallinien verschärften. So bestrich Scheier (48) S. 6 die 
Zungenoberfläche mit Schleichscher Pasta, die Wismuth reichlich enthält, 
oder mit Stanniolplättchen. Barth und Grunmach (49) legten auf die 
Zunge in der Mittellinie ein dünnes, leichtes Metallkettchen, das vom Kehl¬ 
deckel bis außerhalb des Mundes reichte; desgleichen wurde durch die Nase 
ein ähnliches Kettchen auf das Gaumensegel gelegt. Beide Kettchen endeten 
mit einer winzigen Bleikugel, deren Aufgabe war, die Kette in ihrer Stellung 
zu halten. — Statt einer zusammenhängenden Kette gebrauchte E. A. Meyer (50) 
eine Art punktierte Metallinie, die er aus 12—15 Bleiplättchen herstellte, 
welche in einem Abstand von etwa 8 mm voneinander an zwei Seidenfäden 
befestigt waren (Dimensionen der Plättchen 4 x 1,5 x 0,6 mm; Totalgewicht 
ca. 0,5 g). Die getrocknete Zunge wurde längs der Mittellinie mit Synde¬ 
tikon bestrichen und die Kette aufgeklebt. Das Gaumenprofil wurde durch 
eine ähnliche Plättchenlinie markiert, die, an einem Streifen Heftpflaster 
befestigt, in den Mund eingeführt und längs der ganzen Gaumenwölbung 
(inkl. Gaumensegel) aufgedrückt war. 
Diese Anordnungen sind aber bedenklich. Sowohl die Zungenfläche 
wie der Gaumen sind der Ausgangspunkt vieler, noch wenig untersuchter 
Reflexbewegungen, so daß jede Beschwerung der Oberfläche dieser Organe 
Störungen der natürlichen Bewegungen zur Folge hat oder haben kann. 
Insbesondere machten Scheier, der sein erstes Verfahren bald aufgegeben 
hatte, Katzenstein und Gutzmann (Scheier (48) S. 6—7 des SA.) gegen 
die Barthsche Methode geltend, daß Kette und Kügelchen die labilen Organe 
aus ihrer normalen Lage bringen mußten, daß die Zunge sich dem Druck 
anpassen und unbewußt durch allerlei kompensatorische Bewegungen eine 
andere Stellung einnehmen würde, und daß die Ketten auch schwerlich die 
ursprüngliche Stellung beibehalten könnten. Außerdem ist nach E. A. Meyer 
die Möglichkeit vorhanden, daß bei gleichzeitiger Hebung der Zungenspitze 
und der Hinterzunge die Kette der Senkung der Mittelzunge nicht genau 
folgt, sondern zwischen den beiden gehobenen Stellen schweben bleibt, wo¬ 
durch ein falsches Profil vorgetäuscht wird. — Die Meyersche Einrichtung 
vermeidet allerdings diese Verschiebungen durch die Adhäsion der Kette. 
Der erste Einwand (reflektorische Störungen durch die Reizung der Ober¬ 
fläche) bleibt aber bestehen. — Durch Kokainisierung der Mundhöhle wird 
gewiß die Empfindlichkeit aufgehoben; ob die Reflexe aber verschwinden, 
weiß ich nicht. Inwieweit die Phonation bei kokainisiertem Ansatzrohr nor¬ 
mal bleibt, da manche Empfindungen ausgeschaltet sind, die vielleicht zur 
Kontrolle der Bewegungen dienen, ist auch m. W. nicht systematisch unter¬ 
sucht worden; und die Möglichkeit einer Störung möchte ich nicht a priori 
von der Hand weisen. Wenn ich einige Tropfen einer fünfprozentigen 
Kokainlösung (wie ich sie z. B. zur Linderung der Schnupfensymptome ge¬ 
brauche) durch die Nase einnehme und den längs des Segels rinnenden 
1) Eine Historik findet man bei Scheier (48). Von den vielen Mitteilungen dieses 
um die Ausbildung der Röntgenuntersuchung besonders verdienten Forschers führe 
ich nur die letzte an, die die Resultate seiner früheren Arbeiten zusammenfaßt und 
erweitert.
	        
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