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W. Wirth, Psychophysik.
Stromkreis des Elektromagneten E, an dessen unterem Pol ein Hebel an¬
gezogen wird. Dieser bewegt sich zwischen den beiden durch die Schrauben
Si und S2 regulierten Platinspitzen. Da er nun bei Stromunterbrechung
unter gleichzeitiger Erregung der Kontrollglocke nach unten fällt, ohne wieder
zurückgeholt werden zu können, so öffnet oder schließt er den Kontakt bei
der oberen oder unteren Platinspitze. Durch Zug an der Schnur wird der
Kontakthebel wieder an den Pol des Elektromagneten emporgehoben1).
Unter Beibehaltung der nämlichen Bewegungsfreiheiten läßt sich die
motorische Arbeit bei der Reaktion natürlich weiterhin nach dem bei der
Ergographie erwähnten Prinzip abstufen. Für die Reaktion als solche, bei
der es sich nur um die „Reaktionszeit“ handelt, kommt es dabei allerdings
nur auf den ersten Moment der Kraftleistung an, wenngleich auch die später
auftretenden Widerstände, wie S. 479 erwähnt, je nach dem Grade ihrer Anti¬
zipation auf die Leistung zurückwirken müssen. So untersuchte Scripture
den Einfluß der Federspannung und anderer Belastungsweisen auf die Re¬
aktionszeit, wobei er verschiedenartige Angriffsapparate konstruierte2). Be¬
züglich seiner Empfehlung eines möglichst geringen Apparatwiderstandes
(Scripture, a. a. O. S. 12ff.) vgl. S. 4893). — Überall ist natürlich die der
Reaktionsleistung vorhergehende Haltung des Reagenten und eine eventuell
mit ihr verbundene Kraftleistung von Wichtigkeit4). In dieser Richtung liegt
auch die schon S. 462 erwähnte Diskussion über den Einfluß' einer kurz vor¬
hergehenden antagonistischen Spannung, dem auch Orchansky mit dem
S. 498 erwähnten Apparat nachging. Jedenfalls würde aber eine besondere
Instruktion für dieses motorische Verhalten im Vorstadium nur als eine
motorische Komplikation der Leistung empfunden worden, also z. B. auch
eine zunächst antagonistisch kompensierte Vorspannung der zur Reaktion
berufenen Muskeln selbst, die gelegentlich auf Grund eines (von L. Lange
nicht verschuldeten) Mißverständnisses der „muskulären“ Einstellung (s. S. 492)
vorgenommen wurde5). Selbstverständlich gilt dies dann in viel höherem
1) Für die insbesondere an amerikanischen psychologischen Instituten ausführlich
variierten Reaktionen mit anderen komplexen Bewegungsformen kann hier nur ganz
allgemein auf die Fachliteratur, insbesondere American Journal of Psychology und
Psychological Review verwiesen werden. Erwähnt sei hier noch der den Sprachreak-
tionen wieder besonders nahe stehende Versuch, mit Schreibbewegungen zu reagieren.
(Vgl. F. X. Freeman, Preliminary Experiments on writing reactions, Psych. Rev. Mon.
Suppl. Vol. VIII, 3, 1907, S. 301 ff.)
2) Researches on reaction-time. Stud, from Yale Psychol. Lab. IV, 1896, S. 12 ff.
Schon früher hatten Féré, Compt. rend, de la Soc. de Biol. 1892, S. 432 und Dela¬
barre, Logan and Reed (Psych. Rev. IV, 1897, S. 615) ähnliche Versuche angestellt.
3) Des soir*) suchte mit einem recht leicht beweglichen Fingerschlüssel nach
Dumreicher**) jeglichen Vorteil einer besonderen „muskulären“ Einstellung überhaupt
(s. S. 492) zu beseitigen.
4) Wislicenus (Über den absoluten persönlichen Fehler, Leipzig 1888) und
Münsterberg (Beiträge zur exper. Psychologie 4, IX, 1892) untersuchten den auch für
die Praxis der Registriermethode wichtigen Einfluß verschiedener Lagen des Reagenten.
5) Vgl. z. B. einen besonders typischen Fall bei Th. Flournoy, Temps de réaction
aux impressions auditives, Arch, des sc. physiques et naturelles, 3me p. T. XXVII, 1892,
S. 575 ff.
*) Über den Hautsinn, Arch. f. Physiol. 1892, S. 309.
**) Zur Messung der Reaktionszeit, Dissertation, Straßburg, 1889, S. 32.