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W. Wirtli, Psychophysik.
Auch die Vorteile des Vorsignales und der Selbstauslösung des Reizes
kommen aber erst wieder mit der Einübung im allgemeinen und vor allem
mit der fortlaufenden Wiederholung in größeren, möglichst regelmäßig
angelegten Versuchsreihen recht zur Geltung. Natürlich dürfen diese nicht
bis zur Ermüdung ausgedehnt werden. Am besten bestehen sie aus kleineren,
durch etwas längere Erhohlungspausen getrennten Gruppen von ca. 10 bis
12 Einzelversuchen, die durch möglichst gleiche Intervalle von höchstens
ij2 Minute getrennt sind und somit vor allem auch der motorischen Bereit¬
schaft eine spezielle, rhythmusähnliche Förderung zugute kommen lassen.
In der Tat sind denn auch alle Reaktionsversuche zur Elimination psycho¬
physischer und rein physikalischer Variationen seit Helmholtz reihenweise
angestellt worden, so daß jeder Konstellation von Reaktionsbedingungen
wiederum ein ganzer Kollektivgegenstand von Reaktionszeiten im Sinne von
§ 14,2 zugeordnet wurde, wie er durch die früher abgeleiteten Mittelwerte
repräsentiert werden kann* 1).
c) Die Entdeckung der sog. „Antizipation“ beim Studium der astrono¬
mischen Registriermethode und ihre Unterscheidung von der Reaktion.
Diese Anwendung des Prinzipes der großen Zahlen mit ihren speziellen
Folgen für den Verlauf des ganzen Prozesses wurde aber dann besonders
III, 1886, S. 305 u. 452, IV, 1388, S. 241). Vgl. ferner A. Kästner und Wirth. Die Be¬
stimmung der Aufmerksamkeitsverteilung innerhalb des Sehfeldes mit Hilfe von Reak¬
tionsversuchen, Wundts Psychol. Stud. Ill, 1907, S. 361 u. IV, 1908, S. 139, wo III, S. 386
auch die Gesichtspunkte erwähnt sind, die hier für das Zeitintervall bis zum Reaktions¬
reiz maßgebend sind. Selbstauslösung fand z. B. auch schon bei den Reaktionen auf
Temperaturreize mittelst eines sog. Thermophores statt, wie sie v. Frey Bd. III. 1. Abt.
(Sinnesphysiologie I) S. 6 beschrieb.
1) Auf diesem Gebiete wurden denn auch schon frühe Häufigkeitskurven von
psychologischer Bedeutung rein empirisch konstruiert, als R. Tigerstedt und Berg-
quist (Zur Kenntnis der Apperzeptionsdauer zusammengesetzter Gesichtsvorstellungen,
Zeitschr. f. Biologie Bd. XIX, 1883, S. 5) die bloße Vergleichung der arithmetischen
Mittel aus allen zu einer Einstellung gehörigen Versuchen (nach Hirsch) oder nach
der gewöhnlichen, stets ziemlich willkürlichen Ausschaltung extremer Werte nicht mehr
ausreichend fanden. Für die rasche Ableitung von ausgeglichenen Häufigkeitskurven
aus der Urliste, die nach dem schon von Fechner angegebenen Prinzip das Mittel
aus allen möglichen „Reduktionslagenvon gleicher „Stufe“ (vgl. S. 38) bilden, hat
Günther (Reaktionsversuche bei Durchgangsbeobachtungen, Wundt, Psychol. Stud.
VII, 4. u. 5. Hft. 1911, S. 251) eine praktische Formel abgeleitet. Über die rein rech¬
nerische Prüfung des empirischen K.-G. der Reaktionszeiten bezüglich der Konstanz
seiner Entstehungsbedingungen, vgl. die von H. Bruns ausgehende Entwickelung bei
H. Günther a. a. O. S. 253 und die an G. F. Lipps kritisch angeschlossene Analyse
von G. Deuchler, Beiträge zur Erforschung der Reaktionsformen I. Abh. (Wundts
Psychol. Stud. IV, 4. u. 5. 1908, S. 353), S. 393ff. Doch kann einer solchen rein formalen
Zerlegung eines empirischen K.-G. immer nur dann eine psychologische Bedeutung zu¬
kommen, wenn sie sich mit anderen subjektiven oder objektiven Kriterien für die
Heterogenität einzelner Partialgruppen deckt. Von besonderer Bedeutung für die
Konstruktion homogener K.-G. ist nach dem oben Gesagten, daß man zunächst die
Tageswerte getrennt hält, aus deren konkreten Streuungen man übersichtliche Kurven
des ganzen Übungsverlaufes herstellen kann. (Vgl. Kästner u. Wirth a. S. 483 A. 3
a. O. Bd. IV, S. 143.) Eine anschauliche Differenzierung der Zeitlage in dem umfassenden
K.-G. für sämtliche Einzelversuche geben Erdmann und Dodge a. S. 357, A. 4 a. O. S.287.)