Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

Veränderungen an unwillkürlichen oder völlig unbewußt ausgelösten Vorgängen. 465 
äußere Haltung* 1) und innere Einstellung, weshalb man sich bezüglich solcher 
ohnehin niemals ganz präzis registrierbarer und träger ablaufender Prozesse 
auch mit der indirekten Registrierung durch den seitens der V.-P. mit leisem 
Zurufe avisierten Experimentator begnügte. 
Bei der großen Menge zufälliger Nebeneinflüsse muß man sich freilich 
auf diesem besonders schwierigen Gebiete vor allzu frühen Behauptungen all¬ 
gemeiner Korrelationen hüten, wenn ein paarmal bestimmte psychologische und 
physiologische Änderungen gleichzeitig beobachtet worden sind, und darf seine 
Schlüsse nur auf ein für jede V.-P. umfassendes Material ohne willkürliche 
Auslese gründen. Auch das alte Baconsche Prinzip der „Tafel der Grade“ 
kann bei der Induktion solcher neuer Zusammenhänge zwischen quantitativ 
abstuf baren psychischen und physiologischen Vorgängen wertvolle Dienste 
leisten. Keinesfalls dürfte aber aus der Tatsache, daß die registrierbaren 
physiologischen Ausdruckssymptome der Atmung, des Blutkreislaufes usw. 
von den dem Bewußtsein zunächststehenden zentralen Prozessen durch eine 
Reihe rein physiologischer Zwischenglieder mit allerlei komplizierenden 
Wechselwirkungen getrennt sind, ein prinzipieller Einwand gegen eine wissen¬ 
schaftlich exakte Fixierung der Ausdruckssymptome zu entnehmen sein2 *), 
deren Vorhandensein als solcher zweifellos feststeht. Nur wird natürlich 
die richtige Deutung bestimmter Befunde im allgemeinen schließlich immer 
sehr viele Möglichkeiten zu berücksichtigen haben. 
Soweit die registrierten physiologischen Vorgänge noch willkürlich zu 
beeinflussen sind oder wenigstens mit bewußten, nur eben rein triebartigen 
Impulsen oder Erregungszuständen in einem der Willkürhandlung analogen 
Zusammenhänge stehen, was beides vor allem bei der Atmung der Fall ist, 
wird man die symptomatischen Änderungen auch in der Selbstbeobach¬ 
tung unmittelbar erfassen oder wenigstens wiedererkennen können, nachdem 
man durch das objektive Symptomenbild einmal auf sie aufmerksam ge¬ 
worden ist. Schließlich ist wohl auch sogar zu erwarten, daß diese dem 
gewesen, da man die Schreiber am Kymographion fortgesetzt kontrollieren mußte und 
allzu große Schlauchlängen, die durch die Wand in einen benachbarten Raum reichen, 
vermeiden wollte. 
1) Dies kann insbesondere bei der Registrierung der Kreislaufssymptome stören, 
die vor allem bei 'der Plethysmographie eine möglichst ruhige Haltung erfordert. In 
Versuchen von Slaughter über den Parallelismus zwischen den S. 315 er¬ 
wähnten Aufmerksamkeitsschwankungen und dem Plethysmogramm (The 
fluctuation of the attention. The Am. Journ. of Psych. 12, 1900, S. 313), bei denen die 
Remissionen der Aufmerksamkeit von der V.-P. selbst registriert wurden, soll hier¬ 
durch nach Berger und E. Weber (vgl. a. S. 452 a. 0., S. 346) geradezu ein dem 
wahren entgegengesetzter Verlauf vorgetäuscht worden sein. 
2) Es ist erfreulich, daß solche an sich sehr beachtenswerte und jedenfalls von 
reichem physiologischen Wissen getragene Einwände R. Müllers*) gegen A. Lehmanns 
erstmaligen Versuch einer umfassenderen psychologischen Deutung eines Teiles dieser 
Erscheinungen (a. S. 454, A. 3 a. O. I. Teil 1899) auch von seiten der Physiologen mit 
Entschiedenheit als viel zu weitgehend bezeichnet werden. Vgl. H. Berger a. S. 473 
a. 0. und E. Weber, a. S. 452 a. 0. S. 59. Über die aus jenen physiologischen Wechsel¬ 
wirkungen entspringenden methodischen Schwierigkeiten der Deutung der Ausdrucks¬ 
symptome, vgl. auch Wundt, Grundzüge der Physiol. Psychol. Il6 1910, S. 279if. 
*) Zur Kritik der Verwendbarkeit der plethysmographischen Kurve für psycholo¬ 
gische Fragen, Zeitschr. f. Psychol, u. Pli. der S. 30, 1902, S. 340. 
Tigerstedt, Handb. d. phys. Methodik III, 5. 
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