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W. Wirth, Psychophysik.
wußten Nacherlebens, also einer Seite der Selbstbeobachtung, bzw. der
„Reproduktionsmethode“ andererseits1). Diese unterstützte man dann auch
weiterhin sinngemäß durch die photographische, bzw. kinematogra-
p hi sehe Aufnahme des ganzen Verhaltens von Personen, bzw. besonders
ausdrucksvoller Partieen, was längst zum Inventar der speziellen Bewegungs¬
lehre (vgl. II. Bd., 3. Abt. Ill, S. 278 if.) und des künstlerischen und physio¬
logischen Studiums der Mimik gehörte2), von R. Sommer3) aber insbeson¬
dere auch der Psychopathologie als diagnostische Methode empfohlen wurde.
Hiermit wird sich, unter Verwendung geeigneter chronophotographischer
Methoden (vgl. I, 1. Abt., S. 65 S. Garten, Die photographische Registrierung),
auch die unten erwähnte Elementar¬
analyse einzelner Komponenten der
Oszillation bei „willkürlicher Ruhe“
ohne jede Störung der bewegten Glie¬
der und daher am exaktesten erreichen
lassen, wie es vor allem für das em¬
pfindlichste Bewegungungsorgan, das
Auge, unerläßlich war (s. S. 357, A. 2).
Vor allem versuchte man aber
zunächst die rein mechanische Auf¬
zeichnung von Ausdrucksbewegungen
und zwar vor allem auch der „mimi¬
schen“ Muskulatur des Antlitzes, was
beiRousselot speziell phonetischen
Studien diente4). Auch zum Nachweis
unwillkürlicher Flüsterbewegungen
beim innerlichen Hersagen, die Leh-
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wegungen der Stirnhaut nach ß. Sommer. mann und Hansen (a. S. 408, A. 1
a. O.) nach rein akustischen Methoden
festzustellen suchten, wurde die phonetische Graphik von H. S. Curtis5)
mit Erfolg verwendet. Sommer, der übrigens, auch die akustisch-phone¬
tischen Methoden (den Phonographen) in den Dienst der Diagnostik
stellte6), registriert von den mimischen Ausdrucksmomenten insbesondere
die Bewegungen der Stirnmuskulatur, wobei die in Fig. 47 abge¬
bildete Vorrichtung die horizontalen und vertikalen Verschiebungen einer
Stelle der Stirnhaut mit je einem Mareyschen Tambour gleichzeitig auf
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1) Vgl. Exp. Anal, der Bew.-Phän. S. 343 ff.
2) Vgl. auch die Photographien bei Sante de Sanctis, die Mimik des Denkens
(Übersetzt von J. Bresler), 1906. Zu psychologisch-pädagogischen Experimenten wurde
die einfache Photographie in neuerer Zeit vor allem auch von R. Schulze angewandt.
(Die Mimik der Kinder beim künstlerischen Genießen, ausführlich aufgenommen in sein
Buch: Aus der Werkstatt der experimentellen Psychologie und Pädagogik 1909, S. 117 ff
und 147 ff.)
3) R. Sommer, Lehrbuch der psychopathologischen Untersuchungsmethoden, 1899,
S. 5 ff.
4) Vgl. J. Poirot, Die Phonetik (Dies. Handb. III, 6. Abt., S. 1 (S. 9 ff.))
5) Automatic movements of the Larynx. Am. Journ. of Psychol. XI,2. 1900, S. 237.
6) a. a. 0. S. 140 ff.