Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

Die psychologischen Symptome in der willkürlichen Bewegung und Ruhe. 457 
A. Lehmann1)), sondern vor allem auch die Konkurrenz zwischen gleich¬ 
zeitiger körperlicher und geistiger Arbeit (Kopfrechnen), und zwar benützte 
Loeb2) hierbei zunächst einfach ein Dynamometer, A. Lehmann (a. a. O.) 
und Féré (a. a. O. S. 429) wieder den Ergographen. Zu einem genaueren 
Verständnis des Konkurrenzeffektes auf der motorischen Seite, der am 
systematischsten bei A. Lehmann berechnet wurde3), wäre jedoch überall 
auch das jeweilige Quantum der gleichzeitigen geistigen Arbeit zu ermitteln. 
Außerdem lassen sich bei dieser Verbindung des Kopfrechnens mit den 
Zügen der Hand am Ergographen höchstens die mittleren Leistungen des 
ganzen kritischen Zeitraumes in körperlicher und geistiger Hinsicht auf ein¬ 
ander beziehen, ohne daß man immer je zwei bestimmte Bewußtseinöakte aus 
beiden Tätigkeitsreihen im einzelnen als gleichzeitig in Wechselwirkung 
stehend annehmen könnte. Hierzu wäre man höchstens bei einer Einrichtung 
imstande, bei der die Exposition eines kurzdauernden Wahrneh¬ 
mungsmateriales für Neuauffassungen von dem Dynamometer 
oder Ergographen selbst bei ganz bestimmten Spannungen oder 
Hubhöhen ausgelöst würde4). 
70. Die Registrierung minimaler Bewegungen bei willkürlicher Ruhe. 
Das andere S. 454 genannte „Extrem“ der Willkürtätigkeit, die Ruhe 
einer bestimmten willkürlich kontraktilen Muskelpartie, ist für hinreichend 
feine Registriermethoden insofern ein interessantes Objekt, als bei ihr 
die unwillkürlichen, rein reflektorischen oder auch bewußt triebmäßigen 
Innervationen unmittelbar, von dem „eigentlich gewollten“ Effekt gesondert, 
hervortreten. Wer einmal einen gewissen Typus willkürlicher Tätigkeiten 
oder Haltungen bestimmter Personen, ihr Sprechen, Gehen, Stehen u. dergl., 
genauer kennen gelernt hat, wird nicht nur die groben landläufigen Affekt¬ 
äußerungen, sondern auch schon feinere Abweichungen von jener Norm 
infolge bestimmter Gemütsbewegungen oder wegen gleichzeitig konkur¬ 
rierender Tätigkeiten usw. aus dem Gesamteindruck ohne weiteres her¬ 
auserkennen und „sympathisch“ deuten können. Dieses unmittelbare Ver¬ 
ständnis fremder Gemütsbewegungen aus dem mimischen oder panto¬ 
mimischen Ausdrucke ist eine nicht nur theoretisch besonders interessante, 
sondern auch methodisch sehr wertvolle natürliche Verbindung der ein¬ 
fachsten Form der „Reaktionsmethode“ einerseits und des unmittelbaren be- 
1) A. S. 454, A. 3 a. 0., S. 192ff. 
2) Muskeltätigkeit als Maß psychischer Tätigkeit (York Mitteilung), Pflügers Arch. 
39, 1886, S. 592. 
3) Lehmann bestimmte für die Zeit während des Kopfrechnens die Differenz 
zwischen der wahrscheinlichen motorischen Leistung As ohne Störung, die, allerdings 
um einen noch zu ermittelnden Fehler zu groß, aus den Hubhöhen vor und nach dem 
Kopfrechnen interpolatorisch ergänzt wurde, einerseits, und der tatsächlichen verminder¬ 
ten Leistung Av andererseits. Diese Differenz wurde zu der wahrscheinlichen ungestörten 
_.A-V 
Leistung ins Verhältnis gesetzt und der Quotient-— = M als Maß der Konkur¬ 
renzwirkung betrachtet. Vgl. auch a. S. 238, A. 3 a. O. S. 121 ff. 
4) Bezüglich dieser speziellen psychologischen Einzeluntersuchungen über Muskel¬ 
arbeit vgl. auch Exp. Analyse der Bewußtseinsphänomene S. 368 ff.
	        
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