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W. Wirth, Psychophysik.
Cohn1) angewandt wurde. Indessen bringt die Kombination der beiden Gegen¬
stände, deren Gefühlswirkungen verglichen werden sollen2), besondere Be¬
dingungen mit sich, die bei dem Genuß des einzelnen für sich betrachtet
nicht vorhanden wären. Wenn nun auch trotzdem die relative Einschätzung
hierbei im wesentlichen von dem Genüsse bei ausschließlicher Bewußtheit
der einen von beiden Wahrnehmungen abhängig sein dürfte, so kann doch
durch die besonderen Nebenumstände der paarweisen Kombination der
relative Wert des Gegenstandes a gelegentlich auch kleiner als der von c
erscheinen, obgleich die Werte a>b und b>c. Soweit es sich hierbei
aber nur um Zufälligkeiten handelt, wird man nach der paarweisen Ver¬
gleichung jedes Gegenstandes der Wertreihe mit allen übrigen seinen
relativen Wert unter allgemein vergleichbaren Auffassungsbedingungen
immerhin noch am ehesten durch die Summe der relativen Häufigkeiten
aller Arten von Bewertungen repräsentiert denken können, in der man
die höhere oder geringere Einschätzung positiv bzw. negativ rechnet und
unentschiedene Werturteile gleich Null setzt. Bei zufälliger Untermischung
aller möglichen Paare (bis zur einmaligen Absolvierung aller) dürften die
Versuchsbedingungen nur einer exakter kontrollierbaren Durchführung der
„Wahlmethode“ Fechners gleichkommen, bei der die V.-P. aus allen gleich¬
zeitig voliegenden Objekten das Optimum frei heraussuchen konnte. Külpe
hält übrigens eine gewisse Regelmäßigkeit bei der Durchnahme der Paare
für vorteilhaft. Wo indessen eine Nachwirkung trotz einer entsprechenden
Pause zwischen den Versuchen und absichtlichen Abstraktion vom Voran¬
gegangenen überhaupt nicht auszuschalten ist, wo also insbesondere die
dargebotenen Reihenglieder sich unwillkürlich leicht zu ästhetisch wirksamen
Sukzessionsgebilden zusammenschließen, wie z. B. bei Vergleichung einzelner
Zweiklänge3), bei der es durch Perseveration von Tönen oder absolutes Ton¬
gedächtnis leicht zu Melodiewirkungen kommen kann, da wird gerade die
Regelmäßigkeit spezifische Wirkungen hervorbringen können. Das nämliche
gilt in erhöhtem Maße von der sog. „Reihenmethode“, bei der die einzelnen
Glieder von der V.-P. unmittelbar in eine Wertreihe geordnet werden sollen.
Denn auch hier treten durch die Einordnung in das Ganze neue Wertfak¬
toren hinzu, wenn es nicht gelingt, wieder rein paarweise zu vergleichen.
Allerdings wird, wie Külpe vor allem betont, bei dieser Form der „ \\ ahl-
methode“ das gesamte Urteilsmaterial vollständiger zur Darstellung gebracht,
als wenn man nur ein Optimum bestimmt. Eine Art von Vorstufe zur
Reihenmethode bildet die sog. „mehrfache Wahlmethode“, bei der ebenfalls
nicht nur das Optimum gesucht, sondern auch einzelnen oder mehreren
geringeren Graden der Wertskala Reihenglieder zugeordnet werden sollen.
1) J. Cohn, Experimentelle Untersuchungen über die Gefühlsbetonung der Farben,
Helligkeiten und ihre Kombinationen. Ebenda X, 1895, S. 562.
2) Bei dem Vergleich konzentriert man natürlich die Aufmerksamkeit, wenn auch
genießend, (s. S. 10) zunächst auf das Objekt, da ja nur dadurch die Stimmung wirklich
von diesem bedingt, das „Werturteil“ also „richtig“ wird. .
3) Versuche dieser Art mit paarweiser Vergleichung wurden von G. Kästner
angestellt (Untersuchungen über den Gefühlseindruck unanalysierter Zweiklänge.
Wundt, Psychol. Stud. IV, 1909, S. 473).