Die Analyse der Zeitvorstellung.
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die Bedingungen der astronomischen Beobachtung eines (geradlinigen) Stern¬
durchgangs nach der Auge- und Ohrmethode imitiert hatte1). Für gerad¬
linige Bewegungen bedient man sich aber nunmehr wohl am besten der
Schleifenkymographien, wie sie in der physiologischen Graphik beschrieben
sind2), wobei nur durch Kettenvorrichtungen oder dergl. für eine sichere
Führung der den bewegten Punkt (den künstlichen Stern) tragenden Schleife
seitens der übrigen Teile des Apparates gesorgt werden muß, insbesondere
falls diese den Momentanreiz auslösen sollen.
Die Rotation mit gleichförmiger Geschwindigkeit kann natürlich durch
Ketten- und Hebelübertragung, Führung von Stiften in Räderausschnitten
von entsprechender Kurvenform u. ä bei genügender Vermeidung von totem
Gang auch zur exakten Auslösung beliebiger periodischer Bewegungsformen
benutzt werden. Soweit es aber hierbei nur auf den optischen Effekt an¬
kommt, leistet dies in besonders einfacher Weise das Stroboskop, das
Bien er für seine (noch nicht publizierten) Versuche (s. S. 424) verwendete.
Da es ihm zunächst nur auf die Fortbewegung eines einzelnen Punktes an¬
kam, genügte sogar die primitivste Form dieses Prinzipes, bei der unmittel¬
bar hinter einem sehr schmalen Spalt ein Zylinder rasch vorbeirotierte, der
hier den Rand eines großen Metallrades von 42 cm Durchmesser bildete, das
von einem Elektromotor sehr konstant getrieben wurde. Auf der mit weißem
Papier bezogenen Zylinderfläche war eine Linie gezogen, von der im Spalt
unter geeigneten optischen Bedingungen nur ein hin und her wandernder
Punkt zu sehen war. Der Zylinder ist bei diesem Stroboskop mit dem Boden,
dessen Ebene während der Rotation trotz seiner Größe durch besonders
sorgfältige Bearbeitung und präzise Führung keinerlei Schwankungen er¬
leidet, durch 4 Mikrometervorrichtungen verbunden, an denen er mitsamt
der Linie genau parallel zur Zylinderachse verschoben werden kann. Da¬
durch konnte also der Umkehrpunkt des zwischen zwei festen Punkten der
Spaltebene hin und her wandernden Objektes von einem Versuch zum
anderen leicht nach der Methode der Vollreihen mikrometrisch genau ab¬
gestuft werden. Mit dem Rade ist durch Zahnräderübertragung zugleich
eine Kontaktvorrichtung verbunden, welche durch Stromschluß in einer
elektromagnetisch bewegten Blendenvorrichtung die Zeit des Ausblickes auf
die bewegte Fläche in weiten Grenzen zu regulieren gestattete3). Von dieser
oder von dem Zylinder selbst können dann natürlich auch wieder Kompli¬
kationsreize in beliebigen Zeitverhältnissen ausgelöst werden.
b) Die Trennung von Zeitinstrument und Heizapparaten.
1. Die Untersuchung von Zeitschwellen bei momentanen Reizen.
Wenn man nicht die stetige Bewegung des Zeitinstrumentes selbst,
sondern z. B. nur einzelne Momentanreize beobachten läßt, wie bei den
1) Über die übrige Literatur vgl. Exper. Anal. d. Bewußtseinsphän. S. 189ff. u. 304ff.
2) Vgl. dieses Handbuch 1, 4. Allg. Meth. II, S. 8. Ein einfaches Pendel, das vor
der Lichtquelle des Meridianzeichens vorbei schwang, verwendeten Hirsch und Plan-
tamour für die Bewegung des künstlichen (transparenten) Sternes bei ihren Versuchen
nach der Registriermethode (s. u. § 81, a).
3) Das Prinzip dieser leicht gebauten Hebelvorrichtung, die auch zur zeitlichen
Begrenzung akustischer Reize (durch Unterbrechung der Luftleitung zwischen zwei nach
Tigerstedt, Handb. d. pbys. Methodik III, 5. 28