Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

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W. Wirt h, Psychophysik. 
bereitungen illusionäre Prozesse ähnlich wie beim tachistoskopischen Ver¬ 
lesen von Buchstaben u. dgl. auch hier wohl möglich sind1). 
Natürlich tritt bei weniger nah benachbarten und disparaten Reizen noch 
die besondere Erschwerung der Beurteilung durch die Unnatürlichkeit der 
Relation überhaupt hinzu, wobei die Einflüsse der Aufmerksamkeitsverteilung, 
sowie willkürlicher oder unwillkürlicher Einstellungen auf die Auffassung 
spezieller Zeitfolgen überhaupt interessante Spezialprobleme bilden. Jedenfalls 
erhält man daher vor einer besonderen Einübung bei nur einmaliger Darbietung 
jeder einzelnen Zeitdifferenz, die zur Ableitung von Vollreihen dargeboten 
wird, sehr große Schwellen, weshalb hier S. Exner, der die Zeitschwellen für 
einzelne isolierte Momentanreize zum ersten Male untersuchte (s. u.), sogleich 
zu einer mehrfachen Wiederholung jeder einzelnen Distanzstufe griff, die aus 
technischen Gründen außerdem sogar taktmäßig erfolgte. Diese ganz spe¬ 
ziellen Versuchsbedingungen, die den S. 368 genannten bei wiederholter 
tachistoskopischer Darbietung vergleichbar sind, führen freilich auf diesem 
Gebiete auch zugleich ganz besondere Fehlerquellen für die Auffassung der 
Zeitlage mit sich. 
Als Übergang von hier zur Streckenvergleichung könnte in gewissem 
Sinne die Auffassung der Zeitfolge einer ganzen Reihe von Eindrücken 
betrachtet werden. Diese Aufgabe kann natürlich auch wieder bei Applikation 
aller Reize auf die nämliche Stelle gestellt werden, wo sie z. B. auch schon 
in der Methode der unmittelbaren Wiedergabe einer einmal dargebotenen 
Reihe von kurzdauernden Eindrücken, z. B. von sinnlosen Silben, vorkommt, 
bei der die richtige Wiedergabe zugleich die Vergegenwärtigung einer be¬ 
stimmten Reihenfolge voraussetzt2). 
2. Auch bei den Komplikationsversuchen werden aber bereits größere Zeit¬ 
strecken in den eigentlichen Versuch einbezogen, soweit eine spezielle Vor¬ 
bereitung hinzutritt, wenn auch die entscheidende Wahrnehmungsgrundlage 
des Urteiles immer nur in einem kleinen Zeitabschnitt des Ganzen gewonnen 
wird. Auch bei dem einfachsten Versuch wäre natürlich diesem kritischen Zeit¬ 
punkt schon nach den allgemeinen Vorschriften zur Erlangung einer eindeu¬ 
tigen Einstellung überhaupt ein Vorsignal oder eine Selbstauslösung vorauszu¬ 
schicken. Doch ist hier mit der speziellen Vorbereitung schon eine engere 
inhaltliche Beziehung der vorhergehenden Zeitausfüllung zum Hauptgegen- 
stande gemeint, wie sie z. B. in der schon genannten rhythmischen Wieder¬ 
holung der disparaten Reize in der nämlichen zeitlichen Gruppierung bei 
jeder Exposition vorliegt. Außerdem kann aber die Auffassung der Reize 
1) Daß bei falschen Urteilen vor allem auch die bloße nachträgliche Verwechslung 
der Zeitlage der in richtiger Folge aufgetretenen Erregungen eine gewisse Rolle spielt, 
ersieht man wohl auch schon daraus, daß z. B. in Versuchen dieser Art von Weyer 
(s. u.) die falschen Urteile, also jedenfalls Unterschiedsurteile, von der Reizstufe an, 
bei der auch die richtigen Unterscheidungen begannen, zunächst wieder häufiger wurden. 
(Die Zeitschwellen gleichartiger und disparater Eindrücke, in Wundt. Phil. Stud. Bd. 14, 
1898, S. 616 u. Bd. 15, 1900, S. 67. 
2) Bei der mit der Wahrnehmung gleichzeitigen Wiedergabe von Raum Verhältnissen 
sind allerdings höchstens in den unklareren Regionen der Peripherie des Sehfeldes und 
des Tastsinnes Umstellungsfehler möglich, beim Gesichtssinn aber auch besonders be¬ 
züglich der Tiefenordnung, wie überhaupt die Relationen innerhalb der „Zeitwahr¬ 
nehmung“ mit der „Perspektive“ des Tiefenbewußtseins manche Verwandtschaft besitzen.
	        
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