Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

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W. Wirth, Psychophysik. 
Schon E. H. Weber hat das Gedächtnis für die Schwere gehobener 
Gewichte und für gesehene Raumstrecken mittelst der Schwellenmethode 
geprüft und wollte „solche Versuche der Aufmerksamkeit der Psychologen 
empfehlen“1), und F. Hegelmeyer führte darnach ebenfalls Augenma߬ 
versuche dieser Art mittelst der Methode der r. u. f. Fälle durch2). Aber 
erst nachdem Ebbinghaus seine bekannte Untersuchung „über das Ge¬ 
dächtnis“ nach der unten behandelten Methode des Auswendiglernens ver¬ 
öffentlicht hatte, wurde 1886 auch jene historisch ältere Schwellenmethode 
von K. H. Wolfe3) energisch wieder aufgenommen, der die Unterschieds¬ 
empfindlichkeit für Tonhöhen in Abhängigkeit von dem Zeitintervall zwischen 
N und V ebenfalls nach der Methode der r. u. £ Fälle zu bestimmen suchte. 
Freilich würde zu einer exakten Ableitung der U.-S., zumal wenn gar noch 
mit einem Wechsel der Zeitlage von N und V operiert werden sollte, eine 
meistens ebenso unerschwingliche Anzahl von Einzelversuchen erforderlich 
werden wie bei der Bestimmung des zeitlichen Verlaufes der Aufmerksam¬ 
keit mittelst der Schwellenmethode (s. S. 343). So hat sich denn Wolfe so¬ 
gar mit der Ableitung der Zeitkurve der relativen Urteilshäufigkeiten g und 
k für jeweils nur eine einzige Differenz d = V — N innerhalb der näm¬ 
lichen Reihe begnügt, die er je nach dem Maximum der in der Reihe ge¬ 
prüften Zwischenzeiten verschieden groß wählte. Aber auch bei einer solchen 
Einschränkung4 *) wird die Gesamtzeit, die die Untersuchung der zeitlichen 
Entwickelung auch nur einer einzigen Disposition beansprucht, mit dem 
maximalen Intervall immer größer. Die exakte Ausnützung dieser Schwellen¬ 
methode, die ihrem Wesen nach noch viel feinere Dispositionen zu messen 
gestattet, also (unter gleichen Einprägungsbedingungen) für .viel längere 
Zeitintervalle anwendbar bleibt, findet daher leider praktisch sehr bald 
1) Der Tastsinn und das Gemeingefühl, Wagners Handwörterbuch der Physiologie 
III, 2, 1846, S. 545 f. 
2) F. Hegelmeyer, Über Sinnengedächtnis, Yierordts Archiv, Jahrg. XI. 1859, S. 844. 
3) K. H. Wolfe, Untersuchungen über das Tongedächtnis, Wundt, Phil. Stud. III, 
1886, S. 534. Seitdem wurde das Gedächtnis für Raumlagen, Strecken, Empfindungs¬ 
qualitäten u. a. öfters nach dem nämlichen Prinzip untersucht. (Vgl. vor allem die 
Literaturangaben bei W. v. Tscliisch, Über das Gedächtnis für Sinneswahrnehmungen, 
Bericht des III. Internationalen Psychologenkongresses in München 1896 [1897], S. 95, 
Wundt, Physiol. Psychol. Ill6, S. 451 ff. und Ebbinghaus, Grundzüge der Psycho¬ 
logie 1, § 62.) Die Elemente der Versuchstechnik sind den Abschnitten über die Sinnes¬ 
physiologie zu entnehmen, wozu nur eventuell noch Apparate zur exakten Auslösung 
des Vergleichsreizes V nach bestimmten Zeitintervallen hinzutreten, wie sie oben S. 343 
bei der Verfolgung des zeitlichen Verlaufes der Aufmerksamkeit genannt wurden. 
4) Bei gleicher Versuchszahl wird hier die Methode der mittleren Fehler 
derjenigen der r. u. f. Fälle ziemlich ebenbürtig. Sie liefert in dem Präzisionsmaß 
ein ungefähres Maß der U.-E., was für g oder k bei einem einzigen d = V — N nicht 
in gleichem Maße gilt; auch kommen bei den Gedächtnisversuchen die moto¬ 
rischen Einstellungsfehler gegenüber den Urteilsschwankungen mit zu¬ 
nehmender Zwischenzeit immer weniger in Betracht. Diese Methode wurde 
z. B. angewandt von W. Lewy, Experimentelle Untersuchungen über das Gedächtnis, 
Zeitschr. f. Psychol. Bd. VIII, 1895, S. 231, soweit es sich um die räumliche Lage von 
Tastreizen handelte (S. 254), die nach einiger Zeit nachgetastet werden sollten. (Seine 
Anordnung für die Untersuchung des Streckengedächtnisses bei optischer Auffassung 
hätte wohl ebenfalls diese Methode zugelassen, doch wurde hier eine Art Minimal¬ 
änderungsmethode angewandt, a. a. 0. S. 237.)
	        
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