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W. Wirth, Psychophysik.
wird. Bei einer Verwendung des Apparates in einem Brennpunkt (vgl. S. 329)
oder wie bei Erdmann und Dodge (s. S. 359) bringt dagegen diese Expositions¬
form selbst bei beliebig ausgedehnten Objekten keinerlei bemerkenswerte
Änderung mit sich. Die Dauer der Sichtbarkeit des Objektes ist hierbei einer¬
seits durch die Spannung der Federn bzw. die Schwingungsweite, andererseits
durch die Höhenlage des Objektes in weiten Grenzen variierbar. Doch ist
der Apparat in den hier angegebenen Dimensionen nicht für wesentlich
kürzere Zeiten als etwa 0,1 Sek. eingerichtet1). (Vgl. S. 357.) Die Auf¬
einanderfolge der Expositionen muß hierbei von einem besonderen Apparat
mit Unterbrechungskontakten bestimmt werden, bei rhythmischen Reihen
also z. B. von der Baltzarschen Kontaktuhr, bei arrhythmischen aber von
einem Kontaktapparat, wie er § 65, b, 2 für Zeitsinnversuche angegeben ist.
Zum gleichzeitigen Anschluß des Apparates an andere zeitmessende Apparate,
wie es z. B. zu Reaktionsversuchen erforderlich ist, dient der Quecksilber¬
kontakt, der durch Eintauchen der Nadel N2 in den tiefen Quecksilbernapf
Nt mit der Zuleitungsklemme k3 hergestellt wird. Hiermit kann dann auch
die Expositionszeit geeicht werden, falls man nicht gleich die ganze
Schwingung, wie es a. a. 0. abgebildet ist, graphisch aufzeichnen will, um
dann alle beliebigen Expositionsformen auswählen zu können.
57. Die tachistoskopische Analyse der sogenannten Dezimalgleichung.
Da auch relativ einfache Leistungen, z. B. Vergleichungen je zweier
fortgesetzt erneuter Reize, die spezifischen Einflüsse angestrengter Dauer¬
arbeit hervortreten lassen, wenn sie nur möglichst genau ausgeführt und
auch mit hinreichender Präzision gemessen werden2), so gehört bis zu einem
gewissen Grade auch ein Versuch mit serienweisen tachistoskopischen
Expositionen hierher, der wegen der speziellen Schätzungsfehler, die hier
bei jeder einzelnen Darbietung auftreten können, ein besonderes Interesse
beansprucht, zumal er auch von allgemeinster praktischer Bedeutung ist:
Die bei der Messung einer Distanz im allgemeinen erforderliche Schätzung
von Bruchteilen, z. B. Dezimalen der (objektiv nicht weiter geteilten) Skalen¬
einheit. Während man diese bei längerer Überlegung stets noch richtig an¬
geben kann, wenn die letzte gedachte Einheit bei ihrer objektiven Abgrenzung
noch deutlich genug gesehen werden könnte und auch die Einheit im ganzen
nicht unübersichtlich groß ist, treten bei begrenzter Zeit oder Ermüdung und
sonstiger Indisposition charakteristische Fehler auf, die als individuell und
dispositionell schwankende Bevorzugungen bestimmter Bruchteile zur Auf¬
stellung sog. „Dezimalgleichungen“ geführt haben. Diese kommen vor allem
in Betracht, wenn der Teilungspunkt oder ein Endpunkt der Strecke sich
1) Wollte man nur einen Teil der Hin- oder Herbewegung zu entsprechend kür¬
zeren Expositionszeiten verwenden, die man mittelst eines Spaltschirmes beliebig heraus¬
schneiden kann, so wäre natürlich noch eine besondere Vorrichtung erforderlich, um
die zweite Exposition bei der Rückkehr (oder beim Abschwingen) des Schirmes abzu¬
blenden.
2) Es sei daher in diesem Zusammenhänge auch Höflers in mehr theoretischer Ab¬
sicht diskutierte Aufgabe erwähnt, die Geradheit einer auf einem Telegraphenstreifen
gezeichneten Linie beim Abwickeln der Rolle fortgesetzt beurteilen zu lassen. (Psychische
Arbeit, Zeitschr. f. Psychol, und Phys. der S. Bd. 8, 1895, S. 44 u. 161 (S. 55).