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W. Wirth, Psychophysik.
als die unmittelbare Wiedergabe einzelner Elemente als solcher1). In der
Tat sind auch die Bedingungen für das Bewußtsein eines Unter¬
schiedes an einer einzelnen Stelle des Komplexes bei sonstiger
Gleichheit des Vergleichskomplexes2) durch eine Variation dieses
Unterschiedes viel eindeutiger abzustufen als die Bedingungen
für das Bewußtsein der Gleichheit eines Elementes bei sonstiger
Verschiedenheit3), wenn auch natürlich vom Standpunkt der Analyse der
Neuauffassung von Relationen überhaupt, unabhängig von dieser speziellen
Nebenabsicht der indirekten Verwertung einer bestimmten Art der Relations¬
erkenntnis zu anderen Messungen, die letzteren sowie alle möglichen Über¬
gänge zwischen ihnen gleich interessant sein können.
56. Die Untersuchung der Auffassungsbedingungen bei fortlaufender
psychischer Arbeit.
Sobald sich die Hauptleistung zur Auffassung einer geschlossenen Reihe
kurzdauernder Expositionen erweitert, treten aber nun auch die spezifischen
Begleiterscheinungen der Dauerarbeit hinzu. Dies bedeutet also zunächst
einmal eine ähnliche Erschwerung wie bei der S. 343 nach der Schwellen¬
methode untersuchten Verteilung der Aufmerksamkeit über eine größere
Zeitstrecke, in der man in jedem Momente eine Momentanänderung zu er¬
warten hat (eine Aufgabe, die natürlich auch in der nämlichen Schwierigkeit
auf die Methode der unmittelbaren Wiedergabe zu übertragen wäre, indem
man einen einzigen Komplex in einem im voraus nicht genauer bestimmten
Augenblicke exponiert). Nur ist eben jetzt bei jedem Einzelversuche in
allen Zeitabschnitten eine besondere Neuauffasung als Partialleistung der
Dauerarbeit zu vollziehen. Dies wirkt aber freilich nicht nur ermüdend,
sondern zunächst vor allem auch übend, kurz, es kommen sämtliche Fak¬
toren in Betracht, deren Einflüsse Kräpelin als sog. „Komponenten der
Arbeitskurve“ für jeden Punkt der Arbeitszeit aus dem jeweiligen Total¬
effekt zu berechnen sucht4). Für die Rekonstruktion des Verlaufes dieser
Komponenten, d. h. der Zu- oder Abnahme der Leistung, die bei der aus¬
schließlichen Wirkung eines jeden dieser hypothetischen Faktoren in den
einzelnen Zeitpunkten eintreten würde, muß hier jedoch auf Kräpelins
eigene Darstellung verwiesen werden 5), da zur Gewinnung der methodischen
Gesichtspunkte, um die einzige gegebene Größe jedes Augenblickes, eben
die Arbeitsleistung, in mehrere Komponenten zu zerlegen, natürlich bereits
die Ergebnisse selbst in weitem Umfange berücksichtigt werden müssen.
Wir beschränken uns also weiterhin auf Hilfsmittel zur rein empirischen
1) Dies bezieht sich also zugleich auf die oben S. 320 ff. dargelegten Messungen
von Unterschieds- bzw. Veränderungsschwellen (für je eine Veränderung innerhalb des
ganzen Komplexes), deren Methode aber dort ganz unabhängig von dieser Deutung der
Ergebnisse dargestellt wurde.
2) Bei der Ableitung der Unterschiedsschwelle treten natürlich auch die u-Fälle
als Grenzfälle dieser Abstufung hinzu.
3) Vgl. Experimentelle Analyse der Bewußtseinsphänomene S. 89 ff.
4) Kräpelin, Die Arbeitskurve. Wundt, Phil. Stud. XIX (Festschrift) 1902,
S. 459 ff.
5) Vgl. auch Experimentelle Analyse der Bewußtseinsphänomene, S. 228 ff.