Die Reuauffassung mehrerer gleichzeitiger Reize.
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halb der Teilkomplexe relativ gleich gelegenen Elemente bei der diskur¬
siven Verarbeitung zueinander in eine nähere Beziehung treten zu lassen.
Außerdem wäre aber Grünbaum bei tachistoskopischer Darbietung wohl
kaum gleich von vornherein zur Verwendung ungeläufiger Komplexelemente
genötigt gewesen. Denn nur deshalb, weil die V.-P. bei so langer Sichtbarkeit
einfachere Komplexe nachträglich im einzelnen rekonstruieren könnte und
dann außer den erstmals erfaßten Relationen natürlich auch erst
nachträglich abgeleitete wiederzugeben vermöchte, mußte Grün¬
baum zu so komplizierten Figuren greifen, die selbst bei diskursiver Verar¬
beitung einer direkten Sinneswahrnehmung von 3 Sekunden noch nicht völlig
behalten werden können. Meinerseits konnte ich dagegen viel einfachere (kreuz¬
förmig angeordnete) Figuren aus dem in Fig. 36 angegebenen Streifen l) ver¬
wenden. Denn bei einer zweimaligen tachistoskopischen Exposition von
Komplexen, bei deren Wahrnehmung man nicht einzelne Elemente als solche,
sondern in einem einheitlichen Vergleichungsakt nur die beiderseitigen
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Fig. 36.
Elemente für Normal- und Vergleichskomplexe bei der tachistoskopischen Untersuchung
der Relationsauffassung.
Relationen zu erfassen sucht, erreicht die Wiedergabe der Einzelelemente,
wenn diese bis auf ein einziges differieren, einen relativ nicht größeren Um¬
fang wie bei den Grün bäum sehen Versuchen, nämlich aus beiden Kom¬
plexen nicht einmal den Umfang der Neuauffassung, wie schon bei der
Erwähnung dieser Versuche S. 367 in anderem Zusammenhänge hervor¬
gehoben wurde. Bezüglich der Wiedergabe der Relationen und der charakte¬
ristischen Fehler hierbei (relative Unabhängigkeit des Relationsgedächtnisses
von dem Behalten der Einzelheiten, Verwandlung von Gleichheit in Ähnlich¬
keit u. dergl.) hatten sich aber auch schon bei meinen wenigen, mehr vor¬
läufigen Versuchen dieser Art, bei denen auch die Zahl und relative Lage der
gleichen und verschiedenen Elemente wechselte, ganz analoge Erscheinungen
gezeigt wie bei Grünbaums speziell auf die Gleichheitsabstraktion aus¬
gehender Untersuchung, so daß es wohl der Mühe wert wäre, ein gleich
ausgedehntes Versuchsmaterial unter meinen, psychologisch einfacheren,
wenn auch technisch komplizierteren Bedingungen abzuleiten. Ja unter
Umständen würden sich sogar noch viel einfachere, aber womöglich exakt
abstufbare Komplexelemente empfehlen.
In dem Zusammenhang, in dem meine soeben erwähnten Versuche vor¬
kamen, handelte es sich allerdings vor allem um die Entstehungsbedingungen
der Auffassung einer Verschiedenheit der Komplexe und um den Nach¬
weis, daß die Unterschiedsschwelle für die Auffassung einer Verschiedenheit
unter sonst gleichen Umständen einen Rückschluß auf den Bewußtseinsgrad
der variierten Stelle des Komplexes gestattet, u. z. in viel weiterem „Umfange“
1) Über die technischen Einzelheiten vgl. „Zur Theorie des Bewußtseinsumfanges
und seiner Messung“ (a. S. 350, A. 2 a. 0.) S. 655ff. Die lithographierten Streifen lieferte
die S. 369 genannte Firma.
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