Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

Der Einfluß der Vorbereitung auf eine einzelne Elementarleistung. 315 
wachsen, so wird auch die Neuauffassung je nach dem Grade der Präzision, 
die für die einzelne Leistung verlangt wird, und je nach der Vorbereitung 
einen verschiedenen Umfang besitzen. Eben deshalb kann ja mit Hilfe der 
Schwelle und anderer eindeutig definierter Maßwerte sogar schon für jede 
isoliert vollziehbare Hauptleistung ein Einfluß der Vorbereitung aufgefunden 
werden, ähnlich wie z. B. die Ableitung der Farbenschwelle bereits zwischen 
der Stelle des deutlichsten Sehens und einer unmittelbar benachbarten Stelle 
einen Unterschied der Farbenperzeption nachzuweisen gestattet, der bei der 
Ableitung von sog. „Isochromen“ mit einer einzigen höheren Intensität nicht 
zutage treten kann. Von diesem allgemeinsten Gesichtspunkt aus erscheint 
also dann die Methode zur Untersuchung jener untersten Hauptstufe der 
Komplikation mit nur einer Hauptleistung nur noch als ein Grrenzfall einer 
umfassenden Analyse, bei welcher man für jede Anzahl gleichzeitiger Neu¬ 
auffassungen die Präzision in einer bestimmten Hinsicht festzustellen ver¬ 
sucht. Doch werden wir diesen GrenzfalJ, dessen ausreichende Unter¬ 
suchung mit exakten Maßmethoden technisch natürlich am einfachsten ist 
und in ihren einfachsten Formen auch historisch am weitesten zurückreicht, 
im folgenden zuerst allein für sich betrachten. 
43. Hauptarten einer Erschwerung der Vorbereitung einzelner Elementar¬ 
leistungen. 
1. Die Technik der Versuche, bei denen die Auffassung eines einzigen 
Reizes bzw. einer Relation erschwert werden soll, bestand in ihren ersten 
Anfängen einfach in der Verbindung der gewöhnlichen Ableitung einer 
Unterschieds- oder Reizschwelle mit einer gleichzeitigen Nebenbeschäftigung, 
zu der man überhaupt keinen besonderen Apparat verwendete, wie bei der 
ersten Arbeit dieser Art von F. Boas1), der Unterschiedsschwellen des 
Augenmaßes beim gleichzeitigen Vorstellen von Musikstücken ableitete, oder 
man nahm einen Störungsreiz des nämlichen oder eines disparaten Sinnes¬ 
gebietes hinzu, der einer ganz einfachen Zusatzvorrichtung entstammte, wie 
in den neueren Untersuchungen von G. Heymans2) über „psychische Hem¬ 
mung“, bei denen u. a. in einer Anordnung zur Messung der Reizschwelle 
für einen Druck- oder Lichtreiz noch ein zweiter konstanter Störungsreiz 
des nämlichen Sinnesgebietes in variabler Entfernung vom ersten eingeführt 
wurde. Etwas komplizierterer Anordnungen bedurfte es hierbei nur, sobald 
speziell die Schwelle für kurzdauernde Reize, u. z. unter genauer Be¬ 
rücksichtigung aller beteiligten Zeitverhältnisse bestimmt werden 
sollte, wie dies zum ersten Male auf Anregung Kraepelins durch Bertels3) 
geschah, der die absolute Schwelle für einen monokularen Lichtreiz nach 
Einwirkung eines Blendungsreizes auf das andere Auge maß. Doch sind 
auch die Vorrichtungen hierzu von denjenigen zur Messung von Kontrasten 
zwischen den Sinneserregungen an einer einzigen Stelle des Wahrnehmungs¬ 
feldes nicht wesentlich verschieden. 
1) Über eine neue Form des Gesetzes der Unterschiedsschwelle. Pflügers Arch. f. 
Physiologie, Bd. 26, 1881, S. 493. 
2) Zeitschrift f. Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane Bd. 26, 1901 S. 305 ff. 
3) Versuche über die Ablenkung der Aufmerksamkeit. Dissertation. Dorpat 1889.
	        
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