Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

Der Einfluß der Vorbereitung auf eine einzelne Elementarleistung. - 311 
Komplikation hat man es zunächst immer noch mit der elementaren Haupt¬ 
leistung einer einzigen Neuauffassung zu tun, die hierbei nur dadurch er¬ 
schwert wird, daß die Vorbereitung auf diesen einfachen Akt, also auf 
die Auffassung eines übermerklichen oder ebenmerklichen Reizes als solchen 
oder auf die Beurteilung einer Relation, in dieser oder jener Richtung ein¬ 
geschränkt wird, oder daß der Ablauf dieser Leistung durch gleichzeitige 
Nebeneinflüsse gestört wird. Die Versuchsperson ist z. B. nicht mehr mit 
allen Einzelheiten des zu beurteilenden Gegenstandes außer der jeweils dar¬ 
gebotenen Reizstufe im voraus sicher vertraut, ja sie sieht eventuell auch 
den Zeitpunkt seiner Darbietung nicht mehr so genau voraus wie dann, 
wenn sie die zu beurteilende Situation selbst auslöst. Besonders interessante 
Modifikationen der Vorbereitung entspringen weiterhin aus dem Verhältnis 
der willkürlichen Apperzeption zu der entscheidenden Qualität oder Lage 
des tatsächlich auftretenden Reizes. Wie schon in § 5 der Vorfragen er¬ 
wähnt wurde, ist die apperzeptive Einstellung allerdings zunächst auch ohne 
besondere Instruktion und absichtliche Anstrengung allein schon durch den 
Stand der bereits gewonnenen Vorkenntnisse bezüglich der Reizlage oder 
durch sonstige auffällige Nebeninhalte zu beeinflussen. Durch willkürliche 
Einstellungen läßt sich aber jenes Verhältnis der Apperzeption zur Urteils¬ 
grundlage wenigstens relativ unabhängig von diesem Wissen sowie von 
sonstigen gleichzeitigen Inhalten und viel systematischer variieren. Am 
nächsten liegt wohl hierbei die Konzentration und Verteilung innerhalb der 
räumlichen, zeitlichen und sonstigen qualitativen Variationsmöglichkeiten, 
unter denen die in der Hauptleistung dann tatsächlich zu beurteilende Reiz¬ 
lage selbst zu finden ist. Da innerhalb der Verteilungen von der nämlichen 
Art, z. B. über verschiedene Regionen des Sehfeldes, eine Interpolation der 
Symptome aus Beobachtungen benachbarter Verteilungsgrade möglich ist, 
so kann man hier auch aus einigen wenigen Hauptformen der Einstellung 
einen gewissen Überblick über das ganze Tatsachengebiet erlangen, während 
natürlich ablenkende Nebenreize und sonstige willkürliche Nebenbeschäf¬ 
tigungen überhaupt, die zu dem Inhalte der Hauptleistung in keiner direkten 
Beziehung stehen, in unbegrenzter Mannigfaltigkeit eingeführt werden 
könnten. Doch lassen sich auch für diese letzteren Einflüsse leicht einige 
wenige, für gewisse Hauptkategorien typische Beispiele ausfindig machen. 
Bei diesen rein methodischen Überlegungen haben wir natürlich auf die 
Resultate der Versuche, also auf die Präzision der Hauptleistungen nach 
den verschiedenen Vorbereitungen, nicht weiter einzugehen. Doch sei hier 
besonders betont, daß Vorurteile, die sich in dieser Hinsicht auf Grund un¬ 
genügender Erfahrungen entwickelten, gerade hier bisweilen hinderlich ge¬ 
wesen sind, so daß man ganz korrekte empirische Ergebnisse für paradox 
hielt. Wer sich aber einmal den Unterschied zwischen der Tätigkeit der 
Apperzeption und der wirklichen Neuauffassung selbst klar gemacht hat, wird 
von vorn herein mit der Möglichkeit rechnen, daß z. B. gleichzeitige Neben¬ 
eindrücke nicht nur zu stören brauchen, sondern eventuell auch günstige An¬ 
regungen ausüben können, daß die Unwissentlichkeit und die natürliche Ver¬ 
teilung der Aufmerksamkeit, insbesondere auch die Unvoreingenommenheit 
bezüglich des Zeitpunktes, auch eine positive Kontrastwirkung des Neuen 
einführt, während dagegen die fortgesetzte Konzentration auf die kritische
	        
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