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W. Wirth, Psychophysik.
schwindigkeit foptzusclireiten schien, wobei allerdings die bei allen Kontrasten
überhaupt mehr oder weniger wirksame Wechsèlwirkung zwischen den räum¬
lich oder zeitlich unmittelbar benachbarten Erregungen, auf die schon vorhin
bei der Veränderungsschwelle hingewiesen wurde, Inhalte mit so geringer
Ausdehnung von der isolierten Reizwirkung bei einer konstanten Adaptation
am meisten abweichen läßt1).
Obgleich aber nun Merkel und die genannten Schüler Külpes auch
unter diesen speziellen Beobachtungsbedingungen der sog. „mittleren Ab¬
stufungen“ die Möglichkeit einer unmittelbaren Vergleichung von Kontrasten
als solchen klar erkannten und wertvolle Messungen lieferten, so könnten
diese doch eine spezielle Fehlerquelle enthalten. Gerade weil die Verschieden¬
heit des absoluten Niveaus, auf dem man den nämlichen Unterschied wieder¬
erkennen soll, die Heraushebung des Kontrastes als solchen, insbesondere in
der Nähe des Äquivalenzwertes, zunächst besonders erschwert, muß man zu
einer möglichst korrekten Vergleichung jede Abweichung von Nebenum¬
ständen vermeiden, die bei den Auffassungen beider Paare nur irgendwie ana¬
log zu gestalten sind. Bei der Methode der mittleren Abstufung und besonders
bei ihrer bisher allein geübten Form der Dreigliederung r, rm, R, bilden aber
beide Kontraste r, rm nnd rm R keine hinreichend selbständigen Wahrneh¬
mungen mit durchweg korrespondierenden Elementen, sondern sie sind nur
Seiten an dem dreiteiligen Ganzen, innerhalb dessen jedes der drei Elemente
seine gewissermaßen individuelle Lage besitzt. Hieraus können sich aber
leicht störende „Kohärenzen“ irgend welcher Art ergeben. Andererseits
dürfte die unmittelbare Nachbarschaft der beiden übermerklichen Abstufungen,
die in dem Zusammenfallen eines Elementes rm des ersten mit einem
solchen des zweiten Kontrastes besteht, bei den Schätzungen nicht exten¬
siver Größenunterschiede, also abgesehen von der räumlichen Symmetrie
oder rhythmischen Wirkung beim Zeitsinn, kaum eine wesentliche Erleich¬
terung des Vergleiches der Unterschiede mit sich bringen. Bei ihnen be¬
sitzen wohl eher die beiden (in einer bestimmten Richtung) unteren und die
beiden oberen Elemente der Kontraste, die also dem a und c, bzw. dem
b und d von Fig. 14 entsprechen, eine natürliche Korrespondenz, die durch
die Gleichheit von b = c = rm nur gestört wird. Auch beklagt Mül] er ganz
mit Recht, daß bei der Methode der mittleren Abstufungen keine vollständige
Umkehrung der Reizlagen des Vtvorgenommen werden könne, wie es zu
einer exakten Bestimmung der Äquivalenzwerte jederzeit erforderlich ist,
während bei der korrekten viergliedrigen Durchführung der Kontrastver¬
gleichung nach dem obén Gesagten offenbar keinerlei prinzipieller Nachteil
gegenüber der Vergleichung einzelner Größen besteht.
3. Sehr viele Mühe wurde bei solchen Versuchen mit Lichtempfindungen
von A. Lehmann2) und Neiglick3) darauf verwendet, die périphér¬
ie Besonders einfach lassen sich am Farbenkreisel solche nach irgend einer Pro¬
gression stetig fortschreitende Abstufungen herstellen. Vgl. z. B. die beiden Scheiben
mit arithmetischer und geometrischer Progression bei A. Kirschmann, American
Journal of Psychology, VII, 1896, S. 396 und Bd. IX, 1898, S. 346.
2) Über die Anwendung der Methode der mittleren Abstufungen auf den Licht¬
sinn, Wundt, Phil. Stud. Ill, 1886, S. 497 ff.
3) Zur Psychophysik des Lichtsinnes, Ebenda, IV, 1888, S. 28.