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W. Wirth, Psychophysik.
liehe „Ratlosigkeit“ und glaubt ebenfalls, daß man sieb an gewisse Hellig¬
keits-Gleichungen „gewöhnen“ könne, denen dann natürlich kaum viel theo¬
retische Bedeutung zukäme. Wie dort, so wird man aber auch bei der
Vergleichung von Unterschieden ohne Urgierung irgend einer Nebenvor¬
stellung, die nicht schon in der Relationsauffassung als solcher unmittelbar
begründet ist, ein sicheres Urteil fällen können, wenn man nur die
Differenzen der Kontraste zunächst groß genug wählt. Sind aber
einmal die heterogenen Neben Vorstellungen, von denen man am besten
wieder durch eine rasche Variation zwischen sicheren entgegengesetzt ge¬
richteten Unterschieden der Kontraste zu abstrahieren lernt, hinreichend
ausgeschaltet, so wird man sich ihrer dann auch in der Nähe des Aqui-
valenzwertes erwehren können. In dem Berichte von Laub (s. u.) treten
übrigens den Angaben Müllers und einiger seiner Schüler nunmehr auch
andere Selbstbeobachtungen gegenüber, wonach sich die V.-P. ausdrück¬
lich nicht von dem Bewußtsein einer (heterogenen) Kohärenz
leiten ließen, ohne daß dadurch die Vergleichung der Unter¬
schiede als solcher unmöglich geworden wäre.
c) Die Methode der mittleren Abstufungen.
Die bisherigen exakten Versuche einer Vergleichung von (übermerk¬
lichen) Unterschieden haben sich übrigens von der vorhin skizzierten Über¬
tragung der allgemeinen Gesichtspunkte der Vergleichsmethode auf diese
Aufgabe geradezu prinzipiell ferngehalten, da man infolge einer Verkettung
besonderer Umstände nicht mit zwei relativ selbständig beobachteten Unter¬
schieden a, b und c, d arbeitete, sondern das ganze Problem immer nur als
dasjenige der sog. „mittleren Abstufungen“ ansah.1) Und auch diese suchte
man früher sogar ausschließlich auf dem zwar psychologisch interessanteren,
aber auch zugleich viel schwierigeren Gebiete der Empfindungs-Intensitäten
und Qualitäten zu lösen, ohne die Extensionen zu berücksichtigen. In Ana¬
logie dazu, daß man die sog. „Sterngrößen“ tatsächlich in einer geometrischen
Progression ihrer physikalischen Intensität anordnet, wobei übrigens infolge
der Abhängigkeit der Irradiation von der Intensität doch auch die subjektive
„Größe“ im eigentlichen Sinne eine Rolle spielt, ließ man seit Plateaus
ersten, noch wenig methodischen Versuchen den Beobachter immer nur zu
zwei gegebenen Reizen r und R einen dritten mittleren Reiz rm auf¬
suchen2), so daß die Kontraste r, rm und rm, R äquivalent erschienen. Dabei
stufte man dann weiterhin meistens auch nur rm, selten einmal R (Froebes^
s. u.) ab und verwendete hierzu die verschiedenen historischen Methoden
aus Kap. 9. Auch wenn man ein weiteres Gebiet des gesamten Empfindungs-
1) Als einzige Ausnahme fand ich bisher die Vergleichung von Farbenkonträsten,
etwa zwischen Gelb und Rot und Gelbgrün und Gelbrot, die im Interesse der Theorie
der sog. „Hauptfarben“ vorgenommen wurde und die G. E. Müller auch ausdrücklich
neben der Methode der mittleren Abstufungen erwähnt („Gesichtspunkte“ S. 239 und
„Zur Psychophysik der Gesichtempfindungen“ Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, der Sinnes-
org. Bd. X, 1896, S. 69ff.). Doch zieht er hieraus für die Anordnung der Versuche zur
Vergleichung von Konstrasten keine besonderen Konsequenzen.
2) r bedeutet wie bei A. Lehmann den kleineren und R den größeren Reiz.