Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

32 Wilhelm Trendelenburg, Das zentrale Nervensystem der warmblütigen Tiere. 
ablaufenden Reflex hervorgerufen wird. Schließlich könnte auch der Fall 
eintreten, daß durch den applizierten Reiz ein Rückenmarksreflex erfolgt, 
dieser in den Endapparaten des bewegten Gliedes neue Reize auslöst, 
welche nun erst die Reaktion im Vordertier verursachen (z.T. nach Schiff297)). 
Auch von diesen Gesichtspunkten aus leuchtet der Vorzug der Dressur¬ 
reaktionen ein; denn bei ihnen besteht eine feste Verbindung zwischen 
einem Reiz und einer Antwortsbewegung, deren Komplikation über die 
Mitbeteiligung der höchsten Hirnteile keinen Zweifel läßt. Gerade die 
Kompliziertheit der angelernten Antwort oder doch wenigstens der neuen 
Verknüpfung einer Gewohnheitshandlung mit einem bestimmten Reiz scheidet 
auch jede Möglichkeit für die erwähnten Täuschungen aus. Die Zukunft 
wird zeigen, ob es möglich sein wird, das Prinzip der Dressur als Unter¬ 
suchungsmethode am Zentralnervensystem noch weiter auszudehnen, ob sich 
z. B. Methoden, die in neuerer Zeit mit Erfolg zur Untersuchung des Farben¬ 
sinns normaler Tiere angewandt wurden (Nagel238))*), mit operativen Ein¬ 
griffen am Zentralnervensystem kombinieren lassen. 
Im Anschluß an die Dressuren sei noch auf die Arbeit von Nicolai243) verwiesen, 
welcher nach Vorgang der Untersuchungen der Pawlowschen Schule257) den am Hunde 
bei den verschiedensten Einwirkungen auftretenden Speichelfluß der Untersuchung zu 
Grunde legt. 
b) Untersuchung der Extremitätenreflexe und der Bewegungen. 
Die typischen Sehnen-, Periost- und Hautreflexe werden nach 
bekannten Regeln untersucht. Ein Gehilfe hält das Tier, bei abgelenkter 
Aufmerksamkeit, mit freihängenden Extremitäten; den Kopf läßt man in der 
Hand halten, worauf die Tiere meist die Augen schließen und sich ganz 
ruhig verhalten. Für unzugängliche Affen (z. B. Meerkatzen) dürfte leichte 
Äthemarkose gelegentlich zweckmäßig sein; doch lassen auch sie sich unter¬ 
suchen, wenn man erst einmal den Kopf gefaßt hat, um sich vor den Bissen 
der Tiere zu schützen. Auf die einzelnen zu erhaltenden Reflexe kann hier 
nicht in Vollständigkeit eingegangen werden; sie sind zum Teil aus der 
klinischen Untersuchung des Menschen bekannt. 
Pür die hintere Extremität des Hundes sind einige Reflexe vonBikeles und Gizelt35) 
zusammengestellt. Hinzugefügt sei noch die Beugung der Zehen und des Fußes, die 
eintritt, wenn man die Haare des Zehenrückens gegen den Strich berührt. (Näher 
untersucht von Rothmann234)). Weitere am Hund nach Rückenmarksdurchschneidung 
zu beobachtende Reflexe findet man in der Arbeit von Sherrington und Laslett345) 
zusammengestellt. 
Die graphische Registrierung von Reflexen wird nach bekannten 
Regeln (vgl, die entsprechenden Abschnitte des Handbuchs) vorgenommen, 
am einfachsten mit Marey sehen Kapseln. Eine Vorrichtung zur rhythmischen 
Auslösung des Patellarreflexes gibt Scheven296) an. 
Werden die zu untersuchenden Reflexe, besonders bei gleichzeitiger 
Registrierung, durch elektrische Reize ausgelöst, so können zweckmäßig nach 
Goltz107) eingestochene Nadelelektroden verwendet werden, die man mit 
*) vgl. ferner Samojloff und Pheophilaktowa, Zentralbl. f. Physiol. 21, 
1907, 133.
	        
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