Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

Die Vergleichung1 von Unterschieden. 
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Intensitätsstufen der beiden Gesamtqualitäten keine Äquivalente Vor¬ 
kommen. Diese Apperzeption kann so wenig, wie eine neue schwierige 
äußere Tätigkeit, allein nach rein abstrakten Beschreibungen und durch bloßen 
guten Willen sogleich wirklich richtig ausgeführt werden, sondern muß ge¬ 
wissermaßen immer erst in natürlichen Vorstufen ausprobiert werden. 
Aber es gibt ein ganz sicheres Hülfsmittel, um sie zunächst einmal ganz unwill¬ 
kürlich auszulösen. Nach einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit, die bisweilen 
als psychologisches „Kontrastgesetz“ bezeichnet wurde, ist das Neue und 
Wechselnde an sich auffälliger als das innerhalb sonstiger Variationen kon¬ 
stant Bleibende. Man wird also bei Beobachtern, die in solchen Versuchen 
noch nicht geübt sind, jene Verständnislosigkeit für den Sinn der Aufgabe vor 
allem dann vorfinden, wenn man ihnen sofort zwei verschiedene Farben gegen¬ 
überstellt, deren Helligkeit bereits annähernd gleich oder doch nicht viel 
mehr verschieden ist, als es für „Vollreihen“ bei geübten Beobachtern aus¬ 
reichen mag. Denn in diesem Falle drängen sich eben gerade die störenden 
Farbendifferenzen besonders stark auf. Je wirksamer dieser im Wesen der 
heterochromen Vergleichsobjekte liegende Farben-Kontrast ist, um so stärker 
müssen vielmehr zunächst auch einmal die Helligkeiten differieren, u. z. muß 
das beiderseitige Helligkeitsverhältnis (bei Konstanz der Farbennuance) 
durch den Gleichheitspunkt hindurch von einem Extrem ins andere 
übergeführt werden; dann wird sich auch die Relation, die von dem beiden 
Empfindungen gemeinsamen Merkmal fundiert ist, ganz von selbst aufdrängen 
und sogar unwillkürlich beachtet werden und kann auch viel leichter mit 
dem Effekt des relativen Gleichheitsbewußtseins apperzipiert bleiben, wenn 
die beiden heterochromen Helligkeiten im Lauf der Abstufung einmal längere 
Zeit nur wenig verschieden oder gleich sind. Hat man einmal das eigent¬ 
lich gemeinte Merkmal sich klar gemacht, so kann das charakteristische 
Bewußtsein der relativen Gleichheit in dieser Hinsicht von dem Farben¬ 
kontrast sogar besonders abstechen und ein klares intellektuelles Korrelat 
der bekannten ästhetischen Wirkung helligkeitsgleicher Farbenkombinationen 
abgeben. So weit man zunächst mit Annäherungswerten zufrieden ist, wird 
sich gerade für diese Einübung einer solchen Abstraktion die Herstellungs¬ 
methode sehr empfehlen, falls der Einstellungsapparat leicht und stetig 
genug zwischen großen entgegengesetzten Differenzen hin und herzugehen 
erlaubt, wie z. B. der Lummer-Brodhunsche oder der Marbesche Apparat 
mit Verstellbarkeit des Sektorenverhältnisses eines Maxwellschen Scheiben¬ 
paares während der Rotation.1) Denn die diskontinuierliche Aufeinanderfolge 
konstanter Stufen, die natürlich auch hier zur genauen Messung des Äquivalenz¬ 
wertes nach den allgemeinen Prinzipien von S. 244 nötig wird, läßt ein noch 
nicht selbständig apperzipiertes Merkmal nicht so aufdringlich heraustreten, 
wie der schnelle und stetige Wechsel zwischen den entgegengesetzten Re¬ 
lationen. 
Natürlich ist die Frage nach der psychologischen Natur dieses Merk¬ 
males und seiner relativen Selbständigkeit mit dem Nachweis der Herstell- 
barkeit ungefähr konstanter subjektiver Gleichungen, bzw. mittlerer Äquivalenz¬ 
werte allein noch nicht beantwortet. Es könnte ja sein, daß sich insbe- 
1) A.'S. 298, A. 1., a. 0., S. 65.
	        
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