Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

Die Bestimmung von Reiz- und Veränderungsschwellen. 
287 
Möglichkeit einer gelegentlichen Verfehlung des Nullversuches darauf hin, 
daß von der bloßen Latenz einer objektiven Reiz Wirkung unterhalb eines 
bestimmten Minimums zunächst wenigstens ganz im allgemeinen eigentliche 
Fehler der Urteilsnorm zu unterscheiden sind, die natürlich auch in der 
entgegengesetzten Richtung liegen können, wenn z. B. eine bewußte über¬ 
merkliche Veränderung, die tatsächlich eine adäquate Reiz Wirkung darstellt, 
aus irgend welchen Gründen, z. B. nach früheren Enttäuschungen des Be¬ 
obachters bezüglich der Zuverlässigkeit seiner Wahrnehmungen, für subjektiv 
gehalten wird. Es fragt sich nun, ob durch irgend ein Verfahren auch ein 
Fehlerhauptwert dieser Art ähnlich aus der physikalischen Reizschwelle 
herausgelöst werden könne, wie der Totalfehler bei der Vergleichung zweier 
übermerklicher Reize. Sehen wir auch hier zunächst für einen Moment von 
der Tatsache der Schwelle ab, so würde zu einer bestimmten Definition 
eines empirischen Maßes dieses Fehlers offenbar wieder vorausgesetzt sein, 
daß wir uns auf seiten der zu beurteilenden Wahrnehmungszustände genaue 
Äquivalente zum anschaulichen Inhalte des Begriffes herstellbar denken, den 
wir uns bei der Wirksamkeit eines bestimmten „konstanten Fehlers“ der 
Urteilsnorm von dem speziellen Zustand des Wahrnehmungsfeldes bei 
völliger Reizlosigkeit machen. Dieser Inhalt der begrifflichen Norm müßte 
also bei dem Übergang von einem (negativen) Fehler der vermeintlichen 
objektiven Nulllage, mit dem Effekte der Objektivierung eines subjektiven 
Eindruckes, zu dem entgegengesetzten (positiven), also zu einer Subjekti- 
vierung eines bewußten Korrelates des äußeren Reizes, durch die korrekte 
Vorstellung von dem wirklichen Korrelate der Reizlosigkeit unter den augen¬ 
blicklichen, hier als konstant betrachteten psychophysischen Bedingungen 
hindurchgehen. Der jeweilige „Fehler“ aber entspräche dem Abstand des 
augenblicklich gültigen Äquivalentes von der objektiven Nulllage.1) Diese 
1) Bei der Einschränkung des Begriffes der „wahren“ Reizschwelle auf den Fall, 
daß das Wahrnehmungsfeld von inneren Erregungen vollständig frei ist, gleichgültig, 
ob diese Erregungen von der anschaulichen Begriffsnorm der augenblicklichen Rull¬ 
lage aus wirklich als positive Vorgänge erscheinen oder nicht, würde die ebenmerkliche 
Erhöhung einer bereits von der subjektiven Rulllage verschiedenen Empfindung psycho¬ 
logisch bereits eine „innere“ Unterschiedsschwelle zwischen zwei übermerklichen 
Empfindungen bedeuten und daher einer anderen Stelle in der psychophysischen Ab- 
hängigkeitsfunktion zwischen Reiz und ebenmerklichem Empfindungszuwachs entsprechen. 
So weit man nun die „wahre“ Reizschwelle in dem soeben bezeichneten Sinne, d. h. den 
Reiz, der bei rein objektiver Bedingtheit der Empfindung ebenmerklich wäre, trotz 
solcher subjektiver Zuthäten angeben will, ist man im allgemeinen auf sehr prekäre 
Extrapolationen von Funktionen angewiesen, die man bezüglich der Unterschieds¬ 
schwelle bei etwas höheren Intensitätsstufen abgeleitet hat, bei denen man den Anteil 
der eventuell auch hier unvermeidlichen Eigenerregung relativ immer geringer veran¬ 
schlagen bzw. vollständig vernachlässigen kann. Mittelst einer Verallgemeinerung der 
bei höheren Stufen gefundenen Abhängigkeitsbeziehung zwischen Reiz und Schwelle 
fais welche natürlich allein schon wegen der Tatsache der Reizschwelle nicht einfach 
das Web ersehe Gesetz in Frage kommen könnte), hat man in der Tat schon ver¬ 
sucht*), die den subjektiven Erregungen äquivalente Reizwirkung aus der Erhöhung 
der tatsächlich beobachteten Reizschwelle über jene Extrapolation hinaus abzuschätzen. 
*) Helmholtz, Die Störungen der Wahrnehmung kleinster Helligkeitsunterschiede 
durch das Eigenlicht der Retzhaut. Zeitschr. f. Psychol, u. Phys. d. S. I, 1890, S. 5. 
Physiologische Optik. 2. Aufl. 1896, S. 415.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.