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W. Wirth, Psychophysik.
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so sollen sie im folgendem zunächst zur Orientierung über die Literatur
in den wesentlichsten Punkten skizziert und zu der einen vollkommenen
Methode ins Verhältnis gesetzt werden. Aus dieser Angleichung entspringen
aber dann doch auch wiederum Gesichtspunkte, deren Verfolgung die Resul¬
tate dieser historischen Methoden als Effekte bestimmter Einstellungen und
Wahrnehmungsbedingungen psychologisch verständlich machen kann. Ja
vielleicht gewinnen manche derselben dadurch sekundär sogar noch einmal
eine neue aktuelle Bedeutung auf rein empirischer Grundlage.
b) Das Wesen der Herstellungsmethode.
Am ehesten könnte man noch dem von G.E.Müller als „Herstellungs-
metho.de“ bezeichneten Verfahren einen selbständigen Wert zuerkennen,
bei dem das ganz neue Moment hinzukommt, daß die V.-P. selbst ein variables
Vergleichsobjekt in den einzelnen Versuchen immer wieder von neuem so
einstellt, daß es zu einem gegebenen Normalreiz in einer vorgeschriebenen
Relation steht. An und für sich wäre diese Aufgabe also zunächst allgemein
genug, um z. B. die Herstellung eines beliebig verschiedenen Reizes unter
sich zu befassen. Doch gewinnt sie natürlich erst dadurch eine bestimmtere
Gestalt, daß die inhaltliche Grundlage der vorgeschriebenen Beziehung eine
enger begrenzte ist. Im Gebiete der Verschiedenheitsrelationen aber gilt
dies höchstens für den Grenzzustand der sog. „ebenmerklichen Ver¬
schiedenheit“, deren Bewußtsein schon E.H. Weber für eindeutig genug
erachtete, um eine Untersuchung der Abhängigkeit der hierzu erforderlichen
Reizdifferenz von der Quantität der Vergleichsreize mit der Ableitung der
nach ihm benannten Gesetzmäßigkeit zu identifizieren. Sobald nun eine
solche auf bestimmte Stufen des V beschränkte Relation als Ziel der Ein¬
stellung vorgeschrieben ist, bilden die Endergebnisse der einzelnen Versuche
einen einfachen K.-G., wie es schon S. 34 an einem derartigen Beispiele er¬
läutert wurde. Die Verteilungskurve eines solchen K.-G. ist dann auch den
mit der X-Achse geschlossenen Kurven der Methode der Voll¬
reihen verwandt. So steht z. B. der K.-G. der eben genannten Einstellung
auf ebenmerkliche Verschiedenheit zu den S. 165 und 179 genannten Häufig¬
keitskurven der passiven Beurteilung gegebener Reizstufen als „ebenmerklich
größer“ bzw. „ebenm. kleiner“ bei fünf Hauptfällen g, g, u, k, k in Beziehung,
die ebenfalls mit der X-Achse geschlossen sind.
Die natürlichste Anwendung dieser Methode besteht aber wohl in der
wiederholten Einstellung auf subjektive Gleichheit, die von Wundt
einfach als „Methode der Gleicheinstellung“1) bezeichnet wird, und an
die auch in jenem Beispiel S. 34 zunächst allein gedacht war. Sie wurde
vor allem in der physikalischen Photometrie angewandt, wobei sie als das
einfachste Hilfsmittel erschien, um trotz der Unterschiedsschwelle, deren
Bedeutung gerade auf diesem Gebiete von Bouguer2) und Lambert3) zuerst
erkannt wurde, bzw. trotz der Unsicherheit jedes einzelnen Angleichungs-
1) Grundzüge der Physiol. Psychologie 16, S. 595.
2) Traité d’optique sur la gradation de la lumière. 1760.
3) Photometrie, deutsch von Anding, Ostwalds Klassiker der ex. Wiss. Nr. 31 bis 33.