Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

Die subjektiven Äquivalente und die Unterschiedsschwellen. 261 
Bangigkeit der Schwelle von der Reizstufe mehr enthalten sein. Bei geringer 
Ausdehnung des gesamten Unsicherheitsbereiches E0—Ea wäre allerdings 
selbst bei der Gültigkeit des Web ersehen Gesetzes keine große Differenz 
zwischen S0 und Su zu erwarten. Bisher waren indessen auch auf Ge¬ 
bieten, auf denen S0 unter sonst gleichen Bedingungen Sa in der Tat über¬ 
wiegen müßte, beim Wegfall besonderer Fehler s0 und su oft nur deshalb 
annähernd gleich, weil die Differenz durch die apperzeptive Anpassung an 
den Normalreiz kompensiert wurde. In der genannten Weise wäre aber 
dann eben nicht nur diese spezielle Abhängigkeit der Schwelle von der Reiz¬ 
stufe, sondern jede sonstige funktionelle Beziehung der Schwellen zu anderen 
Größen, also z. B. auch zu den oben genannten Präzisionsmaßen, erst noch 
genauer zu prüfen, als dies bisher geschehen war. Dabei ist die relativ 
geringe Zahl von Einzelversuchen, die insbesondere bei der Verwertung der 
arithmetischen Mittel r0 (?l) usw. fernerhin für jede Vergleichsbedingung 
genügen wird, eine wesentliche Voraussetzung dazu, daß die bedeutend größere 
Zahl verschiedenartiger Einzelversuche, die zu diesen systematisch bedingten 
Variationen in den verschiedenen Richtungen notwendig werden, immerhin 
wenigstens schneller und daher auch unter konstanteren Bedingungen er¬ 
ledigt werden können, als wenn man auch noch jede Vergleichsbedingung 
sehr oft wiederholen müßte. Daneben wirkt aber doch auch oft der Umstand 
vereinfachend, daß viele psychologische Einflüsse, z. B. im Gebiete der sog. 
optischen Täuschungen, so kräftige sind, daß der resultierende Totalfehler c 
den Unsicherheitsbereich weit überschreitet1) und die Frage nach dessen 
Untereinteilung durch den Aquivalenzwert nur noch eine sekundäre Be¬ 
deutung besitzt. Die Einflüsse von Variationen, die zur Analyse der Kompo¬ 
nenten so deutlicher Wirkungen vorgenommen werden, können dann mittelst 
der Annahme des einfachen a. Mittels —- als Aquivalenzwert wohl hin 
reichend genau verfolgt werden. 
d) Die Berücksichtigung der Schätzung nach dem absoluten Eindruck. 
Durch die Voraussetzung, daß die Stellung einer Reizstufe als Haupt¬ 
oder als Vergleichsreiz bei ihrer Einbeziehung in eine Vollreihe an den mit 
der „Lage“ gesetzten Auffassungsbedingungen eigentlich gar nichts in kon¬ 
trollierbarer Weise ändern darf, wollte diese Theorie der Fehlermessung 
insbesondere auch einen ganz speziellen Einfluß ausschalten, der Müller 
zum ersten Male bei seiner mit Martin angestellten Untersuchung über 
Hebung von Gewichten aufgefallen war, und von ihm als eine Verschieden¬ 
heit der sog. „Schätzung nach dem absoluten Eindrücke“ bei dem 
jeweiligen N und V gedeutet wurde2). Es ist bekannt, daß wir Dinge als 
1) Wie aus Fig. 12, S. 251 und Gl. [265] und [296] zu ersehen ist, wird, je nach¬ 
dem der Fehler A — hT oder A — N" positiv oder negativ ist, die eine der beiden 
Schwellen su oder sn, bzw. Su oder S0 negativ. 
2) Martin und Müller, Zur Analyse der Unterschiedsempfindlichkeit, 1899, und 
Müller, Gesichtspunkte usw. S. 113ff. Vgl. auch meine Dissertation „Vorstellungs- und 
Gefühlskontrast“, Zeitschr. für Psych, u. Physiol, d. Sinnesorg.. Bd. 18, 1898, S. 59ff. und 
Experimentelle Analyse der Bewußtseinsphänomene 1908, S. 164.
	        
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