Allgemeine Methodik.
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In der Behandlung hält man sich an die Erfahrungen der Chirurgen. Das
Lager sei stets trocken, das Tier liege nie längere Zeit oder gar ausschlie߬
lich auf einer Seite, sondern ist häufig umzulegen; Goltz107) empfiehlt
Lagerung in einer Hängematte. Ferner sind Bäder und Waschungen zu ver¬
wenden, von welchen Stricker 340) und Singer320) gute Erfolge sahen.
Ebenfalls hei Durchtrennungen des Rückenmarks darf die Entleerung
von Urin und Fäces nicht außer acht gelassen werden. Hebt man das
Tier am Oberkörper in die Höhe, so fließt, nach Stricker 340), der Harn
durch den Druck der angespannten Bauchwand ah. Wenn nötig, wird man
durch leichten Druck mit der Hand nachhelfen. Nur bei Affen kann es,
nach Sherrington311), im Anschluß an totale Durchtrennungen des Rücken¬
marks notwendig werden, die Blase wegen Urinretention durch Katheteri-
sieren zu entleeren. Defäkationsstörungen bestehen hingegen auch hier nicht.
Nach starken, das Leben gefährdenden Blutverlusten wird man zeitig
zur subkutanen Infusion von warmer physiologischer Kochsalzlösung (steril)
oder nach einem Vorschlag von Langendor ff189) besser von Ringerlösung )
(weil diese für das Herz geeigneter ist) schreiten. Genauere Regeln, woran
die Notwendigkeit der Injektion zu erkennen ist, lassen sich kaum aufstellen,
von der Größe des Blutverlustes abgesehen. Ferner kann versucht werden,
durch zeitweises Umschnüren der Extremitäten mit Esmarchschen Binden
die Blutfüllung des Herzens und Gehirns zu erhöhen; doch stehen mir hierin
keine Erfahrungen zur Verfügung. Schließlich ist noch an Bluttransfusion
von einem anderen Tier der gleichen Art her zu denken.
Eine weitere Frage der Nachbehandlung ist die nach einer geeigneten
Ernährung. Es handelt sich weniger darum, welche Nahrung zugeführt
werden soll — man hält sich auch nach der Operation an das für Tiere
übliche Futter — sondern ob künstliche Ernährung notwendig werden kann.
Es muß als Regel bezeichnet werden, daß man stets ohne künstliche Nahrungs¬
zufuhr (etwa durch Schlundsonde) auszukommen versuchen soll, und man
wird in der Tat ohne sie auskommen. Affen machen keine Schwierig¬
keiten (Munk230)), man gibt ihnen Rüben, Früchte, Brot, Nüsse usw. Katzen
nehmen meist am zweiten Tage wieder ihr gewohntes Futter; bei Hunden,
die nicht von selbst wieder fressen, ist es, wie Lewandowskv197) be¬
tont, nötig, die Nahrung den Tieren immer wieder anzubieten. Man darf
dabei nicht versuchen, Zwangshaltungen des Kopfes durch Festhalten ver¬
bessern zu wollen. In schwierigen Fällen fand ich es zweckmäßig, Milch
oder dünnen Brei mit einer Pipette (mit Gummiansatz zum Einsaugen der
Flüssigkeit) in das Maul bei etwas erhobener Schnauze einlaufen zu lassen,
und zwar zwischen Zahnreihe und die mit dem Finger etwas zur Seite ge-
*) Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß es nach den Untersuchungen von Gies105)
sowie von Guthrie, Pike und Stewart124) nicht möglich ist, etwa in kurzdauernden
Versuchen das Blut durch eine Salzlösung zu ersetzen, wodurch für schwierige
Operationen manche Vorteile gewonnen würden. Salzlösungen sind nach diesen
Autoren ungeeignet, die Funktion von Hirn und Medulla zu unterhalten, auch wenn
beträchtliche Mengen Blut hinzugesetzt werden. Seihst defibriniertes Blut ist nur wenige
Minuten ohne Schaden zu verwenden. Hier sind jedoch die Erfahrungen von v. Cyon63)
zu vergleichen, welche doch zeigen, daß eine künstliche Zirkulation gelegentlich mit
Nutzen angewandt werden kann (vgl. S. 109).