Volltext: Handbuch der physiologischen Methodik, Dritter Band, Zweite Hälfte: Zentrales Nervensytem, Psychophysik, Phonetik (3)

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W. Wirt h, Psychophysik. 
wir uns auch bei jeder Haltung „anders fühlen“. Die Vernachlässigung 
dieser scheinbar so selbstverständlichen Faktoren, bzw. ihre Verschiedenheit 
in den einzelnen Untersuchungen dürfte vor allem bei quantitativen Analysen 
an manchen Widersprüchen mit die Schuld tragen. 
Zu den objektiven Faktoren, die in dieser Weise der Willkürleistung 
als experimenteller Bedingung gegenübergestellt werden können, gehören 
natürlich, außer den äußeren Reizen selbst, alle psychophysischen Mecha¬ 
nismen, wie Reflexvorgänge, unwillkürliche Triebhandlungen oder Assozia¬ 
tionen, die bei gegebener Reizlage die klare und deutliche Wahrnehmung 
und die Assimilation der von ihr auszulösenden reproduktiven Elemente 
mit einer umso geringeren willkürlichen Anstrengung erreichen lassen, 
je leistungsfähiger die Dispositionen sind. Dabei kann sich die „Anordnung“ 
in diesem allgemeinsten Sinne entweder geeigneter Assoziationen aus dem 
alltäglichen Leben bedienen oder solche neu schaffen, wie es oben für die 
experimentelle Analyse des Denkens empfohlen wurde. Jedenfalls werden 
die Eigentümlichkeiten dieser Denkprozesse umso reiner und vollständiger 
hervortreten, je weniger das reproduktive inhaltliche Material später durch 
eine besondere Willkürtätigkeit des Besinnens ins Bewußtsein gehoben zu 
werden braucht und je leichter die eigentlich gewünschten Vorstellungen 
„von selbst“ gegen irgendwelche innere Ablenkungen aufkommen. 
5. Die Bedeutung des sogen, unwissentlichen Verfahrens. 
In den meisten psychologischen Experimenten über intellektuelle Pro¬ 
zesse als solche sowie über den Verlauf von Willkürbewegungen, die von 
der Verwirklichung irgend eines verabredeten Tatbestandes abhängig gemacht 
werden, spielt ferner neben der unmittelbaren Sinneswahrnehmung die Ent¬ 
wicklung eines Erkenntnisprozesses eine wichtige Rolle. Wenn es 
sich z. B. um die Feststellung des objektiven Reizunterschiedes handelt, der 
eben erkennbar ist, also um eine sogen. „Schwellenmessung“, wird die Ent¬ 
stehung eines Vergleichsurteil es aus der Wahrnehmung zweier Reize verfolgt. 
Ebenso läßt sich natürlich auch die Entwicklung komplizierterer Erkennt¬ 
nisse untersuchen, bei denen die beurteilten Gegenstände sämtlich oder we¬ 
nigstens teilweise der V.-P. nur noch in der Erinnerung vorschweben. In 
allen diesen Fällen kann natürlich ein bereits vorhandener Bestand eines 
subjektiv sicheren Wissens im allgemeinen so wenig durch einen bloßen 
Willkürakt unmittelbar ausgeschaltet oder auch nur in seiner Sicherheit 
herabgesetzt werden, wie eine gegenwärtige Sinneswahrnehmung bei offenem 
Sinnesorgan willkürlich beliebig zu verändern ist. Allerdings gelingt es noch 
relativ leicht, bestimmten Erwartungen aus einer Reihe mehrerer Möglich¬ 
keiten willkürlich mit Erfolg entgegenzutreten, aber doch auch nur so weit, 
als in dem subjektiven Vorstellungsmaterial noch kein genügender Anhalt 
für die Bevorzugung der einen oder anderen Eventualität enthalten liegt. 
Bestimmten Kenntnissen gegenüber könnte jedoch ebenso wie bei der Sinnes- 
wahmehmung selbst mitunter nur eine Hypnotisierung aufkommen, die aber 
dann natürlich auch im übrigen neue, allgemein störende, anomale Be¬ 
dingungen einführt, deren Untersuchung eine besondere Aufgabe bildet. 
Ähnliches gilt natürlich auch für das Wertungserlebnis, das ebenso wie
	        
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