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W. Wirth, Psychophysik.
Endlich dürften sich wohl auch noch manche Widersprüche in den ver¬
schiedenen. Beobachtungen über die teilweise unwillkürlichen und reflek¬
torischen Äußerungen der mehr passiven Gefühle der Lust und Lnlust und
der allgemeinen emotionalen Erregungszustände überhaupt lösen, wenn noch
mehr als bisher von der ebenfalls teilweise willkürlichen Regulierung
der für die Äußerung entscheidenden Erregungszustände Gebrauch
gemacht wird. Diese unterscheidet sich natürlich von der Hineinversetzung
in eine gefühlsbetonte Situation in der bloßen Phantasievorstellung, die als
sogen. „Reproduktionsmethode“ eine viel größere Mannigfaltigkeit der
Gemütsbewegungen experimentell erzeugen läßt, als sie durch die einfache
Hinnahme äußerer Sinneseindrücke herbeigeführt werden kann. Sie bedeu¬
tet eine besondere impulsive Komponente der genießenden, bezw. über¬
haupt bewertenden Versenkung in den gefühlserregenden Bestand mit
allen direkt hinzugehörigen Nebenvorstellungen, die bei jener Phantasie¬
vorstellung der Reproduktionsmethode an sich noch nicht dabei zu sein
braucht und andererseits, wenn sie hinzutritt, auch schon das Erlebnis des
einfachen sinnlichen Gefühles viel tiefer und ausdrucksvoller zu gestalten
vermag. Natürlich darf diese impulsive Tätigkeit des Genießens nicht
etwa mit einer bloßen Aufmerksamkeit auf die Gefühle als fertig gegebener
Bewußtseinsinhalte verwechselt werden, die als Akt der psychologischen
Reflexion mit der primären Entwicklung der Gemütserregung eher in Kon¬
kurrenz geraten kann.
c) Die experimentelle Verwertung der apperzeptiven und motorischen
Zurückhaltung.
In allen dreien dieser eben genannten Richtungen hat die Willkürtätig¬
keit der V.-P. die experimentell zu schaffende Situation aber nun auch in
negativer Richtung wesentlich zu unterstützen, indem sie störende
Nebenmomente, die in der Versuchsanordnung aus irgend welchen tech¬
nischen Gründen nicht vermieden werden können, wenigstens in ihrer
psychologischen Wirksamkeit so viel als möglich herabsetzt.
Hierzu ist vor allem die zuerst genannte Apperzeptionstätigkeit berufen, die
diese Aufgabe eben nicht nur durch die positive Beachtung der vom Experi¬
mentator beabsichtigten Momente, sondern vor allem auch durch eine aus¬
drückliche Unterlassung der Apperzeption unvermeidlicher Stö¬
rungen, durch ein aktives „Absehen“ oder eine „Abstraktion“ von ihnen
zu lösen vermag. Sie hat diese Forderung natürlich nicht nur bei der
Analyse der intellektuellen Prozesse um ihrer selbstwillen zu erfüllen, sondern
auch überall dort, wo diese „Abstraktion“ von an sich naheliegenden Wahr¬
nehmungsinhalten oder reproduktiven Elementen erst die ideale, eigentlich
gewünschte Vorstellungsgrundlage für Willkürreaktionen oder sonstige emo¬
tionale Erregungszustände herauslösen muß. Bei diesen Versuchen tritt
aber dann natürlich auch die ausdrückliche Zurückhaltung störender
Triebe und Reflexe hinzu, die z. B. bei den Versuchen mit Willkür¬
reaktionen auf ein gegebenes Signal hin erst den richtigen, bis zur Wahr¬
nehmung des Signales sicher beherrschten Grad der motorischen Bereitschaft
herzustellen hat. Auch bei Erzeugung eines gewünschten Zustandes des