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Hugo de Vries:
meinen schwedischen landwirtschaftlichen Gesellschaft zusammen, und die
dort gehaltenen Vorträge sowie die Ausstellungskataloge geben ein gutes
und ziemlich vollständiges Material zur Beurteilung der Tätigkeit und des
Fortschrittes in den einzelnen Perioden. Mehr oder weniger können diese
als Vertreter einzelner Prinzipien und Richtungen betrachtet werden. Selbst¬
verständlich fällt der Wechsel der leitenden Gedanken oder der vorherrschen¬
den Bestrebungen nicht genau mit fünfjährigen Zeitabschnitten zusammen;
dennoch können sie zweckmäßig an diese geknüpft werden. Wenn ich
also im folgenden von Perioden rede, so sind es weniger genau aufeinander¬
folgende Zeitabschnitte als Perioden der Ausarbeitung gewisser Haupt¬
gedanken, welche nacheinander, aber zum Teil auch nebeneinander die
Richtung der Tätigkeit bestimmt haben.
Nach scharfen Grenzen zusammengestellt dauert die erste Periode von
der Stiftung (1886) bis zu der Ausstellung in Göteborg 1891. Diezweite
von diesem Jahre bis zu der Versammlung in Malmö 1896, die dritte bis
Gefle in 1901. Nach den Prinzipien umfaßt die erste Periode die Ar¬
beiten nach der herrschenden Selektionsmethode, die zweite und dritte die
Erkennung und Isolirung der zahllosen elementaren Arten in jeder einzelnen
botanischen Spezies, während für die jetzt fortlaufende Periode das Studium
des Auftretens neuer Typen innerhalb der reinen und konstanten Rassen
charakteristisch ist.
Ehe ich zur gesonderten Behandlung dieser Perioden schreite, möchte
ich deren Bedeutung in kurzen Zügen übersichtlich vorführen. In dem
ersten Zeitabschnitte arbeitete man mit den Sorten, so wie sie in der
Praxis vorgefunden wurden, und betrachtete diese als Einheiten, welche
man in neue Entwicklungsbahnen leiten zu können hoffte. Auf diesem
Wege versuchte man ein für die Landwirte wertvolleres Material zu er¬
reichen. Die bei diesen Versuchen gemachten Erfahrungen lehrten aber,
daß diese Sorten gar keine reine Einheiten waren, daß ihre Veredelung in be¬
stimmter Richtung in der Regel gar nicht gelang und daß die Arbeit, ab¬
gesehen von zufälligen günstigen Ausnahmen, zu keinem wesentlichen Er¬
folg führte.
Die zweite Periode brachte zunächst die Entdeckung der wirklichen
Einheiten, welche innerhalb der üblichen Sorten sich vorfinden. Ungeahnte
Zahlen von gut unterschiedenen, selbständigen und im Laufe der Genera¬
tionen konstanten Formen sind in fast jeder botanischen Art vorhanden.
Sie sind voneinander nicht nur in botanischen Merkmalen verschieden,
sondern entsprechen auch den verschiedensten Anforderungen der landwirt¬
schaftlichen Praxis. Nahezu allen Bedürfnissen kann man genügen, indem
man nur die richtige Einheit auswählt.
Die dritte Periode umfaßt die Riesenarbeit, welche zur Ausbeutung
dieses neuen Prinzipes erforderlich war. Sie umfaßt zwei nebeneinander
laufende Abteilungen. Die eine ist die Ausbildung einer Methode der Aus¬
wahl. Die Pflanzen werden einem überaus eingehenden Studium unter¬
worfen und zeigen dabei Merkmale, von deren Wesen und deren Bedeutung