MUENCHENËR MEDIZINISCHE WOCHENSGHRiFl.
IS. April 1913.
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des hinter den und in den Bulbus eingeführten Magneten stellten
sich nämlich Zeichen einer purulenten Ophthalmitis ein, die die
sofortige Enukleation notwendig machten. Dr. A11 p o r t fand darauf
den Splitter in einem kleinen Exsudate, das der hinteren Wand
des Bulbus anklebte. Ich habe mich bisher bei der Untersuchung
der Fremdkörper im Auge stets auf die Methode von Köhler in
Verbindung mit stereoskopischen Aufnahmen verlassen, möchte es
aber jetzt als eine Unterlassungssünde bezeichnen, wenn ich mich
nicht in jedem Falle auch der stereometrischen1 Methode bedienen
würde.
Aus dem Laboratorium für experimentelle Pharmakologie zu
Strassburg i. Eis.
Neue Apparate zur Messung des arteriellen Blutdrucks
beim Menschen.
Von Dr. Heinrich von Recklinghausen.
Vorbemerkung. Vor 8 Jahren habe ich einen Appa¬
rat zur Blutdruckmessung am Menschen konstruiert und von
den Strassburger Firmen J. & A. Bosch und C. & E.
Streisgu th hersteilen lassen (Fig. 9), der zwar tadellos
arbeitet, aber etwas gross und ziemlich teuer ist, auch einige
Uebung bis zur bequemen Handhabung erfordert. Ich hatte
mir vorgenommen, die tunlichste Beseitigung dieser mehr
äusserlichen Mängel andern zu überlassen. Aber ein solches
technisches Problem, einmal angerührt, verstrickt einen, man
mag wollen oder nicht, in vielfache Beziehungen und mora¬
lische Verpflichtungen; von seiten der Kollegen wie der
Fabrikanten treten Wünsche an einen heran, denen man sich
auf die Dauer nicht entziehen kann. So kommt es, dass ich
heute über neue Blutdruckapparate zu berichten habe, welche
obigen Mängeln abhelfen sollen und wieder der Zusammen¬
arbeit mit den zuvorgenannten beiden Firmen ihre Entstehung
verdanken.
Jedoch sollen die neuen Apparate den alten nicht ersetzen,
sondern nur ergänzen. Denn um jene Mängel zu beseitigen,
mussten wieder andere Unvollkommenheiten in den Kauf ge¬
nommen werden, und so wird, je nachdem auf welche Eigen¬
schaften in dem betreffenden Fall gerade das Hauptgewicht
gelegt wird, bald der eine, bald der andere Apparat zweck¬
entsprechender sein. Darüber nämlich müssen wir uns klar
werden, dass die übliche Frage nach dem idealen Blutdruck¬
apparat falsch gestellt ist. Der Verschiedenheit der in der
Praxis vorkommenden Anforderungen kann vielmehr nur eine
Mehrzahl von Apparaten gerecht werden und nur wo eine
Reihe von Modellen vorhanden ist, kann in jedem Falle etwas
ganz Zweckentsprechendes gewählt werden. Ueber eine
solche Reihe und solche Auswahl will ich jetzt berichten.
I, Die an den Apparat zu stellenden Anforderungen.
Machen wir uns zunächst klar, was ein ärztlicher Blut¬
druckmessapparat überhaupt leisten soll. Ich setze voraus,
dass der Leser über das Prinzip der arteriellen Blutdruck¬
messung bereits Bescheid weiss. Ich habe das in dieser Hin¬
sicht für den praktischen Gebrauch Wichtige unlängst kurz
zusammengestellt und verweise auf diese Abhandlung (Medi¬
zinische Klinik 1910, Beiheft No. 8, auch von den oben ge¬
nannten Firmen zu beziehen).
Hier sei nur folgendes ganz kurz rekapituliert. Wir
messen stets am Oberarm des Patienten als der dem Herzen
nächstgelegenen brauchbaren Messstelle und legen zu diesem
Zwecke einen aufblasbaren breiten Schlauch, eine sogen.
„Manschette“ um das Glied. Die Manschette wird mit Luft
aufgeblasen und komprimiert so den Arm samt seinen Arterien.
Ein angeschlossenes Manometer zeigt die jeweilige Höhe des
Kompressionsdruckes an. Wir erhalten nun den systolischen
Druck des Pulses, wenn wir das Manometer in dem Moment
ablesen, wo bei steigendem Druck im Apparat der Puls peri¬
pher von der Manschette eben unfühlbar wird oder in dem
Moment, wo er bei fallendem Druck eben wiederkehrt. Dies
ist die palpatorische Messung. Ferner beobachten wir, dass
das Manometer, auch wenn wir die eingeblasene Luftmenge
unverändert lassen, ständig kleine Druckschwankungen an¬
zeigt, welche mit dem Puls isochron sind. Diese „Oszil¬
lationen“ sind innerhalb eines bestimmten Druckbezirkes be¬
sonders gross und die obere Grenze dieser „grossen Oszil-
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lationen“ gibt uns den systolischen oder maximalen, die untere
den diastolischen oder minimalen Pulsdruck an. Das ist die
oszillatorische Messung.
Welche Anforderungen stellen nun diese Messungen an
unseren Apparat? Der Apparat soll uns ermöglichen, in der
Manschette den jeweils gewünschten Druck herzustellen, so¬
dann diesen Druck ganz gleichmässig und kontinuierlich zu
verändern, denn bei stossweiser Äenderung kann man die
pulsatorischen Oszillationen, wie leicht begreiflich, nicht gut
beobachten. Der Apparat soll ferner gestatten, ein und den¬
selben Druck eine Zeitlang festzuhalten. Dies nicht nur des¬
halb, damit man durch Beobachtung mehrerer Pulsschläge
sich über das Vorhandensein oder Fehlen des peripheren
Pulses oder einer grossen Oszillation besser Rechenschaft
geben kann, sondern auch aus folgendem Grund: Der Puls,
welchen der Arzt zu untersuchen hat, ist häufig ungleich-
mässig. Höhe und Druck der einzelnen Pulsschläge wechselt,
und in einer längeren Beobachtungsreihe können wir einen
höchsten systolischen und einen tiefsten systolischen, einen
höchsten diastolischen und einen tiefsten diastolischen Wert
feststellen. Um aber diese verschiedenen Werte zu unter¬
scheiden und, schon vorher, um das Vorhandensein und die
Natur etwaiger Pulsungleichmässigkeiten zu konstatieren,
müssen wir den Druck in bestimmter Höhe festhalten. Dann
sind wir aber auch imstande, noch leichteste Ungleichmässig-
keiten festzustellen, welche bei der blossen Palpation uns
völlig entgehen; ein solcher Blutdruckmessapparat ist gleich¬
zeitig das feinste Sphygmoskop.
Um nun die Höhe der einzelnen Pulsschläge exakt wieder¬
geben, den raschen pulsatorischen Druckschwankungen treu
folgen zu können, muss das Manometer sich momentan ein¬
stellen, es darf nicht träge sein. Selbstverständlich muss es
sich nicht nur rasch, sondern auch richtig einstellen, der Fehler
in der Angabe darf wenigstens eine gewisse Grenze nicht
überschreiten. Sodann soll das ’ Luftvolumen des ganzen
Systems möglichst gering sein, damit die pulsatorischen
Oszillationen nicht gedämpft und in ihrer Höhe verkleinert
werden. Es ist ferner erwünscht, dass wir innerhalb möglichst
kurzer Zeit die Manschette aufblasen und wieder entleeren
können, da die Kompression als solche bei längerer Dauer den
Blutdruck verändert. Endlich soll zur Bedienung des Ap¬
parates nur die eine Hand nötig sein, damit der Arzt die andere
am Puls des Patienten liegen lassen kann. Dies sind, wenn
ich so sagen soll, die inneren Qualitäten, welche wir von
unserem Apparat fordern müssen. Es kommen dazu noch
einige Desiderata mehr äusserlicher Art: Einfachheit und
Solidität der Konstruktion, leicht erlernbare Handhabung, ge¬
ringes Volumen und Gewicht, billiger Preis. Sehen wir mm
zu, wie diese Anforderungen befriedigt werden können.
SI. Die einzelnen Apparatenteile.
1. Instrumente zur Drucker zeugu n g. Jeder
komplette Apparat besteht aus drei Hauptteilen, nämlich
erstens der Manschette, zweitens dem Instrument zum Auf¬
blasen, d. h. zur Erzeugung von Druckluft und endlich drittens
dem Manometer zur Messung des erzeugten Druckes.
Betrachten wir zunächst die Mittel zur Druckerzeugung.
Ich selbst habe bislang eine Pumpe benutzt, welche eben
so schnell wie genau jeden gewünschten Druck herzustellen,
zu mehren oder zu mindern oder festzuhalten gestattet. Diese
Pumpe hat jedoch den Nachteil, dass sie ziemlich gross und
teuer ist, auch muss man sich auf die Handhabung der zu¬
gehörigen Hähne etwas einüb en.
An den von anderen Autoren angegebenen Apparaten
dient meist ein Gummigebläse zur Druckerzeugung. Der
Gummiballon ist im Vergleich zur Pumpe klein, leicht und
billig. Dagegen hat er wie aller Gummi den Nachteil der
kurzen Lebensdauer. Sodann erfolgt die Druckvermehrung
stets in einzelnen Stössen; denn es. ist unmöglich, den Ballon
ganz gleichmässig zusammenzudrücken. Daher kann die
eigentliche Messung immer nur bei fallendem, nie bei steigen¬
dem Druck stattfinden, was immerhin ein Mangel ist. Um
nun den Druck gleichmässig abfallen zu lassen, hat man einen
besonderen Luftauslass nötig, denn das Gebläse als solches
lässt, dank eines vor und eines hinter dem Ballon angeordneten
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