Über den Bau der echten Nucleinsäure. 289
fur die eine Ausdrucksmöglichkeit auf dem Papier wünschens¬
wert ist.
Zunächst sollen die Daten aufgeführt werden, aus denen
man Schlüsse auf den Bau der echten Nucleinsäure ziehen kann.
1. Die Anwesenheit der vier Basen Guanin, Adenin, Cyto¬
sin und Thymin, die Anwesenheit von vier Kohlenhydratgruppen
und vier Phosphoratomen. Diese für das Fundament der
Nucleinsäure ausschlaggebenden Tatsachen möchte ich unter
der Bezeichnung «Steudelsche Vierzahl der Hauptbestandteile
der Nucleinsäure» zusammenfassen.
2. Die glukosidartige Bindung des Kohlenhydrates mit den
Basen (Steudel).
3. Die Molekulargröße des Kohlenhydrates und damit der
gesamten Nucleinsäure (Feulgen).
4. Die vierbasische Natur der Nuclleinsäure.
Nach der Formel von Levene müßte die Nucleinsäure eine
sechsbasische Säure sein, und zwar müßten alle sechs Säure¬
gruppen von den Phosphorsäure-Molekülen geliefert werden.
Im gewöhnlichen neutral reagierenden nucleinsauren Natrium
ist die Nucleinsäure aber, wie die Analysen der Na-, Cu- und
Farbsalze zeigen, zweifellos von vierbasischer Natur. Beim
Studium dieser Frage konnte ich nun allerdings zwei weitere
Säuregruppen — oder als Säure wirkende Gruppen — nach-
weisen. Da die Hauptresultate aber erst während der Druck¬
legung dieser Arbeit erzielt wurden, so soll später genau auf
diese Dinge eingegangen werden. Das Wichtigste muß ich aber
an dieser Stelle vorwegnehmen:
a) Die beiden neuen Säuregruppen sind äußerst schwach,
schwächer als die Kohlensäure, ja sogar schwächer als die
zweite Dissoziationsstufe in derselben und schwächer als z. B.
das Phenol. Nun sind aber alle Phosphorsäurevalenzen in der
Nucleinsäure sowohl als auch in den Nucleotiden erfahrungs¬
gemäß so stark, daß sie alle beständige Salze sogar mit der
schwachen Brucinbase eingehen, während die beiden neuen
Säuregruppen nicht einmal mit Ammoniak ein. Salz bilden.
Deswegen können die beiden neuen Säuregruppen nicht durch
die Phosphorsäurevalenzen bedingt sein.
Hoppe-Seyler’s Zeitschrift f. phyeiol. Chemie. CI.
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