f)58
Dio Schranken der naturwissenschaftlichen Erkenntnis«.
die Redo sein könne, und im Jahre 1856 habe ich es bestimmt aus¬
gesprochen, dass die Arten durch allmähliche Uebergänge sich in
einander verwandeln müssten. Für das Absolute fand ich in dem
wissenschaftlich zu erkennenden Gebiete keinen Platz mehr und
setzte die Grenze für das Wissen überall da, wo die Unendlichkeit
in Zeit, Raum und Theilbarkeit l>cginnt; »was ausserhalb der end¬
lichen materiellen Erscheinung liege, liege auch ausserhalb der Macht
der Naturwissenschaften«. Für das geistige Gebiet glaubte ich noch
eine andere Behandlung als die der exacten naturwissenschaftlichen
Methode fordern zu sollen1).
Seitdem gelangte ich immer mehr zu der klaren Ueberzeugung,
dass cs in der Natur keine Kluft gibt, welche verschiedene Gebiete
trennte, dass in allen ihren Erscheinungen die nämlichen Gesetze
herrschen, dass das geistige Leben nicht im Menschen oder im
Thier als etwas principiell Neues beginnt, sondern dass die Elemente,
aus denen es l>esteht, schon in der Pflanze und im Unorganischen
vorhanden, al>er nur viel einfacher combinirt sind. Daraus ergab
sich als logische Folgerung, dass für die Erkonntniss in allen Er¬
scheinungen ohne Ausnahme die gleichen Bedingungen und somit
die gleichen Grenzen bestehen, dass mit dem Complicirtcrwerden
der Erscheinungen die Schwierigkeiten des Erkennens zwar grösser
al)er nicht qualitativ andere werden, dass das Gebiet des Vorstell¬
baren und Wissharen alles Endliche und Relative an den Dingen,
das Gebiet des Mystischen und Unbegreiflichen al>er das Absolute,
Unendliche, Ewige, Göttliche ist. Dieser Gedanke nun wird in der
vorliegenden Abhandlung ausgeführt und begründet.
Da ein exactes Urtheil nur so weit möglich ist, als der eigene
Horizont reicht und als ein Jeder die Dingo wirklich zu überschauen
vermag, so sind auch die Urtheile über das Gebiet, welches unserer
Vorstellung und Erkenntniss zugänglich ist, verschieden. Ich unter¬
lasse es, auf polemische Beurtheilungen, welche mein Vortrag er¬
fahren hat, einzugehen. Bedingung für die Verständigung wäre ja
stets ein gleicher geistiger Horizont, und es würde mir ohne Zweifel
von einer der gegnerischen Seiten vorgehalten werden, dass der
meinige nach der Seite des metaphysischen Gebietes hin beschränkt
sei, was ich unbedingt zugebo, ohne deswegen einzuräumen, dass
*) In der Einleitung zn »Die Individualität in der Natur«. 185C>.