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III. Ursachen der Veränderung.
wenn auch die beiden Anordnungen sich äusserlich gleichen, so
können sie doch einen verschiedenen Charakter haben, und’wir
dürfen die spätere nicht ohne weiteres als aus der ersteren folgend
betrachten.
Für die Beurtheilung des Vorganges, wie das primordiale Idio-
plasma des probialen Reiches sich in dasjenige der Pflanzen und
Thiere umwandelt, stehen uns keine entscheidenden Analogien zu
Gebote. Alle organisirten Substanzen, deren Entwicklungsgeschichte
wir beobachten können, gehören den Ontogenien an und gehen mit
den Individuen zu Grunde. Sie sind immer Neubildungen und von
verhältnissmässig sehr kurzer Dauer. Das Idioplasma ist der einzige
Körper, der durch alle Ontogenien sich fortsetzt und eine unbegrenzte
Dauer hat; denn das Idioplasma des letzten und höchst entwickelten
Organismus ist das stetig fortgewachsene Idioplasma des ersten
probialen Wesens. Kein organischer Elementarkörper gibt uns also
in seinem Verhalten ein Vorbild dafür, wie die phylogenetische
Ausbildung des Idioplasmas erfolgen muss; er kann uns aber eben¬
sowenig irgend eine Annahme verbieten. Die Lösung dieser Frage
wird immer nur auf theoretischem Wege möglich sein. Bei der
noch so mangelhaften Kenntmss der Molecularkrftfte lassen sich
vorerst nur einige allgemeine Gesichtspunkte feststellen.
Die übereinstimmende Orientirung der Idioplasmomicelle und
mit ihr die Dichtigkeit des Idioplasmas nimmt, wie sie begonnen
hat, nach und nach zu bis zu einem Maximum. In gleichem Maasse
vermindert sich das Wachsthum durch Einlagerung. Es ist nämlich
eine aus der Natur der Micellarstructur nothwendig sich ergebende
Folge, dass unter übrigens gleichen Umständen neue Micelle um so
schwieriger zwischen den schon vorhandenen sich bilden, je gedrängter
diese beisammen liegen. Daher muss das Ernährungsplasma von
Anfang an stärker wachsen als das dichtere und geordnetere Idio¬
plasma, und die Ungleichheit im Wachsthum muss mit der Ausbildung
des letzteren sich steigern. Durch das stärkere Wachsthum des
Emährungsplasmas wird aber Druck und Zug auf du« netzförmige
Idioplasma ausgeübt. Diese mechanische Action muss dazu bei-
trügen, dass die Balken des Netzes stärker in die Länge wachsen
als in die Dicke, und dass, wenn das Maximum der Dichtigkeit
erreicht ist, die Micelleinlagerung fast ausschliesslich für das Längen¬
wachsthum derselben verwendet wird.