400 * Hering, Physiol. Optik IV. 6. Cap. Das Sehen mit disparaten Stellen.
tkeils vor, theils hinter dieser Ebene liegen; einer der eben genann¬
ten drei Drähte gehe durch den Mittelpunkt der Fläche des Rah¬
mens und habe in diesem Mittelpunkt eine Marke. Diesen Rahmen
stellt man senkrecht zur Medianlinie so, dass die Fäden horizontal
liegen. Lässt man nun Jemanden, der die Anordnung der Drähte
nicht kennt, fest die Marke des Mitteldrahtes fixiren aus etwa 1 Mtr.
Entfernung durch eine kurze Röhre, welche beiden Augen den Rah¬
men ganz verdeckt, so ist derselbe nicht im Stande, die Anordnung
der Drähte zu erkennen und immer geneigt, sie sämmtlich in einer
Ebene zu sehen.
Hierbei bildet sich, falls die mittlen Längsschnitte senkrecht zur
Blickebene sind und die Ebene der Drähte parallel der Frontalebene
liegt, entweder nur der in der Blickebene liegende, oder wenn die
oben beschriebene Incongruenz der Netzhäute vorhanden ist, gar kein
Draht auf correspondirenden Netzhautlinien ab. Denken wir uns
beide Netzhäute sammt den Bildern der Drähte so ineinander gelegt,
dass die mittlen Querschnitte und die Netzhautcentren zusammenfal¬
len , so kreuzen sich je zwei zusammengehörige Drahtbilder unter
einem sehr spitzen Winkel, wie es Fig. 24 darstellt, in welcher q q
die zusammengelegten queren Mittel¬
schnitte, die schrägen unterbrochenen
Linien zwei Drahtbilder im linken, die
schrägen ausgezogenen Linien zwei
Drahtbilder im rechten Auge schema¬
tisch darstellen. Diese Drahtbilder ha¬
ben also keine quere Disparation und
erhalten sie auch dann nicht, wenn
man nicht fest fixirt, sondern die Convergenz der Gesichtslinien et¬
was mehrt oder mindert. Dieser Versuch ist seinem wesentlichen In¬
halte nach von H. Meyer1 angegeben worden.
Aus allen diesen Versuchen und ihren zahlreichen Modificationen
folgt erstens, dass, wenn keine anderweitigen Motive für die Lokali-
sirung nach der Dimension der Tiefe wirksam sind, bei einer gege¬
benen Lage des Blickpunktes alle im Längshoropter gelegenen und
daher auf correspondirenden Längsschnitten abgebildeten Linien oder
Punkte mit grosser Bestimmtheit in einer Fläche erscheinen, welche
entweder eine Ebene oder eine sehr schwach gekrümmte Cylinder-
fläche ist, und dass zweitens alle diesseits der Längshoropterfläche
gelegenen Punkte oder Linien, deren Netzhautbilder eine gekreuzte
1 H. Meyer, Arch. f. Ophthalmologie II. 2. Abth. S. 92. 1856.