Über die vermeintliche Identität von Pepsin und Chymosin. 95
Hundemagensaft gearbeitet hat, kann man sich fragen, ob nicht
vielleicht die Verhältnisse beim Hunde anders als beim Kalbe
liegen.
Man kann aber noch weiter gehen und die Frage stellen,
ob die von Pawlow beobachtete koagulierende Wirkung des
Hundemagensaftes auf Milch überhaupt eine reine Chymosin¬
wirkung war. Schon in den alten Untersuchungen Ham¬
marstens (8) wird nämlich behauptet, daß dem Pepsin bei
saurer Reaktion, unabhängig von dem Chymosin, eine selb¬
ständige milchkoagulierende Wirkung zukommt.
In Malys Jahresberichten, Bd. II, 1874, referiert Ham¬
marsten seine in der schwedischen Sprache erschienene Arbeit : (8)
«Über die Milchgerinnung und die dabei wirksamen Fermente
in der Magenschleimhaut». Nachdem er auf die sehr energische
koagulierende Wirkung, die seine Magenfermente bei saurer
Reaktion auf die Milch entfalten, aufmerksam gemacht hat,
sagt er, daß seine in oben angegebener Weise durch Erhitzen
dargestellten labfreien (sauren) Pepsinlösungen «die Milch noch
ziemlich rasch koagulieren», und summiert seine Erfahrungen
in dem folgenden sperrgedruckten Satze: «Obwohl das Pepsin
in einer neutralen Flüssigkeit ganz ohne Einfluß auf die Milch¬
gerinnung ist, kann man ihm also in saurer Lösung eine der¬
artige Wirkung nicht ganz absprechen». Infolge der Knappheit
dieses Referates in der deutschen Literatur hat man diese An¬
gabe übersehen oder jedenfalls nicht als einen entscheidenden
Beweis für die milchkoagulierende Wirkung des Pepsins be¬
trachten können. Da man allgemein der Meinung ist, daß das
Chymosin bei saurer Reaktion viel kräftiger als bei neutraler
wirkt, könnte man nämlich wohl denken, daß, trotzdem kein
Chymosin durch Koagulationsversuche bei neutraler Reaktion
sich nachweisen ließ, doch kleine Chymosinmengen zurückge¬
blieben waren, 'welche Anlaß zu der Koagulation in saurer
Flüssigkeit gaben. Diesem Einwande ist indessen in der schwe¬
dischen Originalarbeit Hammarstens entgegnet worden, indem
er bei Besprechung eines hierher gehörenden Versuches S. 81
sagt: «Man wird vielleicht den Einwand erheben, daß, da das
Lab am besten bei saurer Reaktion wirkt, das letztere in diesem