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Weitere Untersuchungen des Harns von solchen Kranken
Hessen nun freilich eine derartige Zunahme nicht erkennen
und die oben erwähnte Beobachtung klärte sich bei näherer
Nachforschung in unerwarteter Weise auf: es ergab sich,
dass der Kranke, von dem der Urin stammte, sub finem
vitæ Benzoesäure als Medicament erhalten hatte. Auch meine
Versuche, künstlich, durch Unterbindung des Darmkanals an
Hunden eine gesteigerte Ausscheidung von Benzoesäure durch
den Harn herbeizuführen, hatten keine beweisenden Re¬
sultate1). Der Gedanke war indessen einmal gegeben und
trotz des erwähnten Misserfolges hielt ich es für der Mühe
werth, Fäulnissversuche hierüber anzustellen, für welche
Nencki durch massgebende Versuche die Wege geebnet
hatte. Die Aussicht, auf diesem Wege zum Ziel zu kommen,
schien darum nicht ganz ausgeschlossen, weil Nencki die
Untersuchung nicht speciell auf die etwaige Entstehung von
Benzoesäure bei der Fäulniss gerichtet hatte.
Ich wählte zu diesem ersten Versuch2) Hornsubstanz,
trotzdem sie sehr schwer fault, weil diese bekanntlich viel
Tyrosin liefert, man also, meiner Ansicht nach, am ehesten
ein positives Resultat erwarten konnte. Meine Voraussetzung
wurde nicht getäuscht; es fand sich zwar nicht Benzoösäuic,
wohl aber ein Homologes derselben, die Phenylessigsäuie,
später auch Hydrozimmtsäure, welche sich dann in der That
als die Vorstufe der Benzoesäure im Thierkörper erwies. Es
gelang mir, für die Fortsetzung der Untersuchung meinen
Bruder zu interessiren, der sich des Gegenstandes in der
nachdrücklichsten Weise annahm; ich kann die Förderung,
welche die ganze Arbeit durch ihn erfahren hat, nicht genug
dankbar anerkennen. Der Natur der Sache nach gestaltete
sich die ursprünglich auf eine specielle Frage gerichtete
Untersuchung bald zu einer Untersuchung der Fäulniss-
produkte überhaupt.. Einerseits konnten wir uns nicht ent¬
schlossen, die bei der Verarbeitung des tädiösen Materials
erhaltenen Nebenprodukte fortzuwerfen, andererseits war es
*) Virchow’s Archiv, Bd. 73, S. 421.
e) Diese Zeitschrift Bd. II, S. 420.