Automatische Erregungen.
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nämlichen Blutveränderungen zugrunde. Man nimmt gewöhnlich an, daß
es sich in beiden Fällen um Erregungen handle, die nicht, wie bei der
Atmung, infolge der Selbstregulierung der Reizung rhythmisch auf- und
abwogen, sondern um solche, die dauernd in gleichmäßiger Größe anhal-
ten. Dies wird daraus gefolgert, daß Trennung der Hemmungsnerven
des Herzens, der Vagusstämme, den Herzschlag dauernd beschleunigt,
und daß Trennung der Gefäßnerven eine bleibende Erweiterung der kleinen
Arterien herbeiführt. Aber diese Tatsachen schließen nicht aus, daß die
automatische Erregung in beiden Fällen zwischen gewissen Grenzen auf-
und abschwanke. In der Tat sprechen hierfür mehrere Erscheinungen,
wie die abwechselnden Verengerungen und Erweiterungen, die man an
den Arterien beobachtet, und die meist nach Durchschneidung der Nerven
verschwinden, ferner der Zusammenhang der Pulsfrequenz mit der Atmung,
der zwar teilweise, wie wir gesehen haben, von den Volumänderungen der
Lunge abhängt und durch Reflex sich erklärt, zum Teil aber noch auf
einen andern Ursprung hinweist, da längerer Stillstand der Atmung, mag
er in In- oder Exspirationsstellung erfolgen, auch das Herz zum Stillstände
bringt. Beim Erstickungstod tritt ferner regelmäßig neben starker Er¬
regung der Inspirationsmuskeln Verengerung der Blutgefäße und Hem¬
mung des Herzschlags ein. Hiernach ist zu vermuten, daß die auto¬
matische Reizung aller jener Zentren der medulla oblongata auf analogen
Blutveränderungen beruht. Die beobachteten Verschiedenheiten können
leicht in den Verhältnissen der peripheren Nervenendigungen ihren Grund
haben, da das Inspirationszentrum mit gewöhnlichen motorischen Nerven
in Verbindung steht, denen gegenüber Herz und Blutgefäße sich durch
die Selbständigkeit ihrer peripheren Innervationen auszeichnen. Von allen
Nerven getrennt, pulsiert das Herz, wenn auch in geändertem Rhythmus,
fort, und bleibt die Gefäßwandung wechselnder Verengerungen und Er¬
weiterungen fähig. Die Ursachen, welche diese peripheren Erregungen
bestimmen, sind aber wahrscheinlich denjenigen ähnlich, die im verlänger¬
ten Mark der Atmungsinnervation zugrunde liegen, und gleich diesen aus
automatischen und reflektorischen Vorgängen zusammengesetzt, wobei der
rhythmische Verlauf am Herzen und das Gleichgewicht zwischen Erregung
und Hemmung an den Gefäßen ebenfalls durch irgend welche Selbstre¬
gulierungen zustande kommen. Atmungs-, Herz- und Gefäßinnervation
stehen demnach wahrscheinlich insofern in Beziehung zu einander, als
die automatischen Erregungen, aus denen sie entspringen, auf die näm¬
liche Quelle zurückleiten. Die Zentren dieser Bewegungen bieten, wie es
scheint, den inneren Reizen besonders günstige Angriffspunkte, denn kein
anderes Zentralgebiet reagiert so empfindlich wie dieses auf Schwan¬
kungen der Blutbeschaffenheit. Bei den übrigen Teilen des zentralen