Das Zeitalter der großen Persönlichkeiten.
Die Plastiker des ÜbergangS.
Jn der nationalen Großthat, dem Kampfe gegen die Perser, waren die
Griechen sich ihrer Kraft bewußt geworden. Ein kleines Volk, auf einem Gebiete
wohnend, das kaum so groß war wie eine Provinz des gewaltigen Perserreiches,
hatte troHdem dessen Angriff siegreich zurückgeschlagen. Die Schlachten von Maro-
thon und Salamis hatten den Griechen ihren eigenen Wert offenbart. Wenn sie
darüber nachdachten, was ihnen diese Überlegenheit über den so viel stärkeren Feind
verliehen, dann konnten sie stolz zu sich selber sagen: es war der sittliche Gehalt
ihrer Kultur. Mit unermüdliche1n Fleiße hatten sie daran gearbeitet, sich vor-
wärts zu bringen, und schon bisher eine Entwickelung durchgemacht, die unerhört
war in der Alten Welt, in der Welt des ägyptischen, des asshrischen und persischen
Reiches mit ihren erstarrten Formen, welche die freie Entfaltung des menschlichen
Geistes verhinderten. Wie begierig hatte die hellenische Kunst in ihren Anfängen
hinaus gelauscht nach dem Orient, wo sie eine viel ältere Kultur vor Augen hatte,
um von ihr zu lernen, wie selbständig aber hatten die Griechen von Anfang an
alles aufgenommen und wiedergegeben. Als dann zuerst in den kleinasiatifcl)en
Städten und auf den Jnseln sich die Kunst auf ihrer ersten Stufe ausgebildet,
da war es wieder das Mutterland, das verlangend nach dort hinausfiihlte und
die Künstler an sich zog, welche ihre reifere Kunst nun auf den heimatlichen Boden
der Hellenen übertrugen. Da begann ein Ringen nnd Arbeiten, um das fremd
Uberkommene immer mehr in eigenes Blut umzusetzen, sich gänzlich von den aus-
ländischen Mustern los zu machen und eine rein nationale Kunst zu gestalten.
Schritt für Schritt haben wir dieses Ringen verfolgt und zuletzt das Mutterland
an der Spitze der Kunst gefunden, wie dieses auch die Stnrmslut der Perserheere
zurückgewiesen und Allgriechenland gerettet hatte. Daß dieser Sieg nicht ein Zufall,
sondern eine innere, tief begründete Notwendigkeit war, nnd daß die Hellenen dieses
großen Erfolges wahrhaft würdig waren, das zeigt die folgende Entwickelung.
Denn die Griechen gaben sich nach dem berauschenden Siege nicht einer sicheren
Muße hin, sondern wie das athenische Volk, noch blutend aus tausend Wunden, sofort
nach dem Abzug der Perser seine Stadtmauer zu fortgesetzter Wehrhaftigkeit errichtete,
so steht auch die Kultur- und Knnstentwickelung keinen Augenblick still, sondern im
Gegenteil, noch nachzitternd von dem erhabenen Gefühl kriegerifchen Heldentun1s,
eilen die Künstler mit Riesenschritten der Vollendung der Kunst entgegen.
Rock) immer aber tritt Athen nicht in die erste Stelle, sondern zunächst wird
noch e1nheitl1ch die Kunstthätigkeit des gesamten Griechenlands einschließlich der