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Wanderfahrt und Heimkehr.
nicht sofort von Nürnberg nach Kolmar, wo Schongauer
(gestorben 1491) damals noch lebte? Zeitlebens hat Diirer
eine innige Verehrung für Schongauer gehabt, hat
Blätter von ihm noch gesammelt, als er ihn( längst
künstlerisch überwunden hatte. Seine Anfänge gar sind ganz
verwurzelt in Schongauers Art. Die Angabe Scheurls,,der
alte Diirer habe 1486 erwogen, ob er den Sohn nicht nach
Kolmar zu Schongauer geben solle, mag unzutreffend sein:
sie bleibt aber gleichwohl ein Zeugnis, welches Verständnis
der junge Dürer für den Kolmarer Meister hatte. Warum
aber ging er dann, endlich frei geworden, nicht sofort in Rich-
tung Kolmar? Wollte er dem Meister nur unter die Augen
treten, wenn er das F2andwerkliche von dessen eigenster Kunst
ganz inne hatte? Auf alle solche Fragen gibt es nur die eine
Antwort: 8uoerlässiges wissen wir nicht.
Die äußere Lebensbeschreibung Diirers hat nach alledem
hier Lücken. Sie stnd jedoch nicht sehr empfindlich, da uns
das beste Teil, die nun einselzenden selbständigen Arbeiten
des Künstlers im wesentlichen erhalten blieben. Ihnen
wenden wir uns zu.
2.
Die sicher besiimmbaren Werke aus Dürers Wander-
zeit sind nicht zahlreich. Es is? trotzdem nicht leicht, sie ent-
wicklungsgeschichtlich zu ordnen. Wir beginnen mit den zeit-
lich einwandfrei gesicherten. Es sind ihrer drei, alle gegen
Ende der Wanderschaft, unter der Jahreszahl 149z. Die
Wiener Albertina besitzt die Deckfarbenmalerei eines läohelnden
Chrisikindes mit goldener Kugel; wie die verschollenen Im-
hoffschen ,,Täfelein" ist es auf Pergament gemalt. Das
zweite is? ein weiblicher Akt (Paris, Sammlung Bonnat),
nach der Natur gezeichnet. Das dritte und wichtigste Stück