2. Die Otfenbarung Johannis.
I.
Die Offenbarung Johannis hatte in Deutschland den
Ruf eines Wahrsagebuches bekommen. Man empfand die
apokalyptischen Weissagungen als an die unmittelbare Gegen-
wart gerichtet. Von den unheilvollen Zeichen, in denen man
das Ende angesagt wähnte, waren einige in der Apokalypse
beschrieben bis ins letzte. Der Weltuntergang selbst wurde mit
der nämlichen Bestimmtheit verkündet, die man von den be-
rühmten Aiirologen gewöhnt war. Wo so viel zutraf, da
schien es vermessen, an Einzelheiten zu deuteln. Dem ganzen
Buch wurde geglaubt, und was von seinen großen Ereignissen
noch nicht eingetreten war, das war gewiß noch zu erwarten.
Soweit erklärt sich die breite Volkstümlichkeit der Apoka-
lypse grade in der Zeit der Erwartung. In Tafeldrucken
und ebenso in Blockbiichern, jenen überall hin verbreiteten
Bilderfolgen mit kurz erläuterndem Text (Schrift und Bild
noch auf demselben Block geschnitten; wir kommen darauf
zurück), wurde der Stoff mehrfach behandelt. Die Kölner
Bilderbibel von 148o und die nach ihr in Nürnberg er-
scheinende begleiteten keinen Abschnitt der Schrift mit soviel
Bildern als eben die Apokalypse. Das alte Buch war von
brennendem Tageswert. Schon dehalb hatte ein junger
Künstler von Dürers Schlag wohl Anlaß, klar zu ihm
Stellung zu nehmen.
Dazu kommt ein Anderes, zeitlich minder Begrenztes,
was es zugleich begreifen läßt, warum die Apokalypse lange