5.
Im Stadtbild Nürnbergs drängte sich uns alles Schöne
und Hohe der mittelalterlichen Stadt in eins. Dasselbe Bild
soll uns ein Spiegel sein für die geistig-geistlichen Kämpfe
-am Ausgang des fünfzehnten Jahrhunderts.
Unter allen deutschen Städten war Nürnberg der
deutschesten eine auch in der Gesinnung. Treu hatte es zu
einem freien, unabhängigen Kaiser der Deutschen zu jeder
Zeit gestanden, voll Mißtrauen gegen das Papsttum jenseits
der Berge. Was irgend sich gegen kirchlichen Sklavensinn
regte und für ein frankes Denken, fand klaren Widerhall in
dieser herrlichen Stadt. Die Geschichte der Waldenser weiß
davon, und Huß gar, als er von Konstanz herüberkam, ward
wie ein Fürst im Triumphzug empfangen. Eifersüchtig war
man bedacht, daß das Bürgertum selbst die Wahl der Pfarrer
und Pröpste im Stadtgebiet entschied. Bei den Kirchen-
mysterien, die das große Bangemachen fördern sollten, war
es Nürnberg gewesen, das ein Gegengewicht fand in der
Durchsetzung mit weltlich umdeutenden Zügen. Das Spott-
lied und der gesund überwindende Humor des Volkes waren
nirgends ausgelassener als in der Frankenstadt. Bis nach
Italien hin war der ,,Nürnberger Witz-" bekannt und ge-
fürchtet.
Nürnberger Witz-,von einer überlegeneren Art nur als der
im niederen Volke, war auch in den Humanisten wirksam,
die eben damals, wenige Jahre vor Schluß des Jahrhunderts
in Nürnberg sich durchzusehen wußten. Antikischer Geist,
antikisahe Welt- und Sinnenfreude erfüllte ihr Denken und
machte sie standhaft gegen Wahngebilde. Wäre der Huma-
nismus eine volkstümliche Sache gewesen, hätte eine ge-
schlossene Fühlung bestanden zwischen dem Trulzgeist unten
und dem Trutzgeist oben, so war es wohl möglich, daß jeder
Anprall Von außen an solchem Bollwerk zerschellte. Allein die