I
Die Dorfkirche.
IS
Von
Hans LutsCh-
Mit sechsundzwanzig Abbildungen.
K
Die folgenden Blätter sind bestimmt, Anregungen zu geben, um den Kirchenbau auf
dem Lande aus den Armen von Pedanten zu reiÃen, in denen er jeHt zum
Teil zu ersticken droht. Dazu soll einmal an einer Reihe geschichtlicher Thpen dargetan
werden, wie mannigfaltig diese Frage in der Vergangenheit gelöst worden ist, wie wir
Eigenes, nur uns Deutschen, ja den einzelnen Stam1nesgenossen in Deutschland Eigenes
zu sagen haben, wie insbesondere die alten Kirchen anheimelnde, das Gemüt an-
sprechende Stimmungen aus-zulösen vermögen. Sodann sollen in systematifcher Folge Winke
darüber gegeben werden, inwieweit die aus der Vergangenheit geschöpften Erfahrungen
durch ein Höchstmaà von Vertiefung in den dankbaren Stoff für die Gegenwart nutzbar
gemacht werden können. Wenn für die erstere Reihe ausschlieÃlich Beispiele aus dem
deutschen Osten gewählt sind, so geschah dies, 11m dem Einwurfe zu begegnen, daà dem
Westen viel reichere Mittel zur Verfügung ständen, auf die das arme Ostdeutschland" ver-
zichten müsse. Aber auch diese Beispiele.werden unzweideutig ergeben, wie in Uber-
einstimmung mit der Mannigfaltigkeit der deutschen Sprache für Neuschöpfungen höchst
vielseitige Ausdrucksweise zur Verfügung steht, wenn der Architekt, aus tiefinnerster Seele
sthöpfend, ohne Richtung auf den Flitterstaat schmucklicher Zutaten, unter weiser Benutzung
der tatsächlichen Errungenschaften nach künstlerischen1 und zweckmäÃig vollwertigem Aus-
druck ringt. Für den zweiten Abschnitt kommt es dem Verfasser darauf an, nachzuweisen,
wie auch die Gegenwart durch geschickte Anordnung ohne Erhöhung der aufzuwendenden
Mittel eine auch veredelten Geschmack befriedigende Lösung im Sinne auf schlichte Vor-
nehmheit einerseits, auf trauliche Gcschlosfenheit anderseits erzielen kann.
Weniger raschlebig als das bürgerliche Leben ist die Kirche als religiöse Organi-
sation. In den Gotteshäusern, wie wir ihre Gebäude gern und sinnig bezeichnen, hat
sich darum leichter angesa1nmelt und aufgespeichert, was aus frommer Gesinnung, oft
Auch aus Ehrgeiz, während vieler Jahrhunderte gestiftet, ein Wiederschein u11d Nieder-
schlag verschiedener religiöser und gesellschaftlicher Anschauungen geworden ist, wie es
aus dem Schrifttn1n und, wenigstens so deutlich nicht, aus Dorflage und Geinarkung
heraus, geschweige denn aus den oft kaum und höchst unsicher zu erklärenden Ortsnamen
heraus geschürft werden kann.
Und noch eindringlicher als die Ausstattung reden die Steine selbst, aus denen
die Kirche knnstreicl) oder ungefüge, protz3ig wie so häufig in unserer Zeit oder
sThlicht, wie meistens in der Vergangenheit, aufgebaut ist. Sie erzählen von dem Wandel
der meist einfachen Bedürfnisse, von dem--Wandel der Gefügeweise, die aufsteigt und
l)eruntersinkt, der Anspannung technischer Uberlegung und der künstlerischen Begabung