Das Bild im Bauernhaufe.
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diesen Charakter hoffentlich bis in eine ferne Zukunft bewahren. Allen schwächlichen
Ãstheten zum Kummer, erfreut sich der Landmann noch immer an den Darstellungen des
Heidentums, obwohl ein oberslächlicher Scheinpatriotismns, der gern in unwahren Ge-
fühlen und aufdringlichen Gesten schwelgt, hier sehr bald erkannt wird nnd geradezu das
Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erzielt. Die Bildnisse seiner Landessürsten werden im
Banernhause noch immer gern gesehen es ist rührend zu sehen, wie ein alter Landmann
noch heute das Kreidebildnis unseres alten Heldenkaisers in seinen jungen Jahren hütet
aber man darf darin nicht zu weit gehen, sollte vor allem sehen, an Stelle der vielen
schlechten Kaiserbildnisse, die häufig durch ihre Darstellung an Majestätsbeleidigung greuzen,
lieber wenige, gute zu verbreiten. Eine Bemerkung sei hier noch eingeschaltet, die auf
Grund vielfacher Beobachtung gemacht, vielleicht in dieser Frage noch von Wert sein
kann. Unser Landmann liebt nicht die Paradebilder, in denen der Herrscher hoch zu
RoÃ, womöglich mit dem Zepter in der Hand einherstürmt, weil ihm die Vor-
stellung dieser Geste abgeht. Wenn bei den Darstell11ngen des alten Kaisers, wie in dem
bekannten Ca1nphausenschen Bilde, sich dies aus den geschichtlichen Vorgängen ergibt, so
erfreuen sich dagegen bei unserem gegentviirtigen Kaiser die Darstellungen groÃer Be-
liebtheit, die ihn im Kreise seiner Familie zeigen. Den Herrscher in dieser,
dem Volkse1upfinden so nahestehenden Situation, zu sehen, findet bei der Land-
bevölkernng mehr Verständnis als jene, aus einer überlebten Knnstanschauung her-
rührenden Bilder. Daà natürlich auch ein Bismarckbildnis mit seinem Prächtiger!
Kopfe, daà ferner Moltke, der groÃe Schweiger 1nit seinen1 typischen, niederdeutschen
Kopf jedem Bauernhause ein willkon1mener Sch1nnck ist, könnten die Geschäftsbücher der
Kunsthandlungen wohl besser beweisen als eine persönliche Beobachtung, die mehr oder
minder eingeschränkt ist.
Mit dem Bildnisse der Herrscher und der groÃen Führer der Nation steht im
engsten Zusammenhange die Ansnahmefähigkeit für geschichtliche Darstellungen. Nur sollte
man auch hier nicht zu weit gehen. Unserem Landvolke sind geschichtliche Vorgänge nur
soweit begriffsklar, als sie mit seinen familiengeschichtliihen Erinnernngen znsannnenhängen.
Der DreiÃigjiihrige Krieg z. B. wird nur ausnahmsweise noch eine wirklich menschliche
Anteilnah1ne in bildlicher Darstellung finden. Dagegen heben die persönlichen Beziehungen
schon mit dem Zeitalter Friedrichs des GroÃen an. Jn der Rheinebene ist das ver-
wüstende Vorgehen Lndwigs XIV. noch nicht vergessen, in allen deutschen Gauen aber
leben die Tage der Napoleonischen Kriege noch ungeschwiicht fort. Dazu treten die
vielen örtlichen Erinnernngen, z. B. die Zeit Friedrichs des GroÃen in der Rhei11s-
berger Gegend, die Völ-
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