Volltext: Kunst auf dem Lande

Das Bild im Bauernhaufe. 
231. 
diesen Charakter hoffentlich bis in eine ferne Zukunft bewahren. Allen schwächlichen 
Ästheten zum Kummer, erfreut sich der Landmann noch immer an den Darstellungen des 
Heidentums, obwohl ein oberslächlicher Scheinpatriotismns, der gern in unwahren Ge- 
fühlen und aufdringlichen Gesten schwelgt, hier sehr bald erkannt wird nnd geradezu das 
Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erzielt. Die Bildnisse seiner Landessürsten werden im 
Banernhause noch immer gern gesehen  es ist rührend zu sehen, wie ein alter Landmann 
noch heute das Kreidebildnis unseres alten Heldenkaisers in seinen jungen Jahren hütet  
aber man darf darin nicht zu weit gehen, sollte vor allem sehen, an Stelle der vielen 
schlechten Kaiserbildnisse, die häufig durch ihre Darstellung an Majestätsbeleidigung greuzen, 
lieber wenige, gute zu verbreiten.  Eine Bemerkung sei hier noch eingeschaltet, die auf 
Grund vielfacher Beobachtung gemacht, vielleicht in dieser Frage noch von Wert sein 
kann. Unser Landmann liebt nicht die Paradebilder, in denen der Herrscher hoch zu 
Roß, womöglich mit dem Zepter in der Hand  einherstürmt, weil ihm die Vor- 
stellung dieser Geste abgeht. Wenn bei den Darstell11ngen des alten Kaisers, wie in dem 
bekannten Ca1nphausenschen Bilde, sich dies aus den geschichtlichen Vorgängen ergibt, so 
erfreuen sich dagegen bei unserem gegentviirtigen Kaiser die Darstellungen großer Be- 
liebtheit, die ihn im Kreise seiner Familie zeigen. Den Herrscher in dieser, 
dem Volkse1upfinden so nahestehenden Situation, zu sehen, findet bei der Land- 
bevölkernng mehr Verständnis als jene, aus einer überlebten Knnstanschauung her- 
rührenden Bilder.  Daß natürlich auch ein Bismarckbildnis mit seinem Prächtiger! 
Kopfe, daß ferner Moltke, der große Schweiger 1nit seinen1 typischen, niederdeutschen 
Kopf jedem Bauernhause ein willkon1mener Sch1nnck ist, könnten die Geschäftsbücher der 
Kunsthandlungen wohl besser beweisen als eine persönliche Beobachtung, die mehr oder 
minder eingeschränkt ist. 
Mit dem Bildnisse der Herrscher und der großen Führer der Nation steht im 
engsten Zusammenhange die Ansnahmefähigkeit für geschichtliche Darstellungen. Nur sollte 
man auch hier nicht zu weit gehen. Unserem Landvolke sind geschichtliche Vorgänge nur 
soweit begriffsklar, als sie mit seinen familiengeschichtliihen Erinnernngen znsannnenhängen. 
Der Dreißigjiihrige Krieg z. B. wird nur ausnahmsweise noch eine wirklich menschliche 
Anteilnah1ne in bildlicher Darstellung finden. Dagegen heben die persönlichen Beziehungen 
schon mit dem Zeitalter Friedrichs des Großen an. Jn der Rheinebene ist das ver- 
wüstende Vorgehen Lndwigs XIV. noch nicht vergessen, in allen deutschen Gauen aber 
leben die Tage der Napoleonischen Kriege noch ungeschwiicht fort. Dazu treten die 
vielen örtlichen Erinnernngen, z. B. die Zeit Friedrichs des Großen in der Rhei11s- 
berger Gegend, die Völ- 
kerschlacht bei Leipzig in   NR Mc W,  
der gesamten Leipziger H ZU     
Tieflaudb1uht, an an- H E "    
deren Orten viele Klein- !-s U ;  U  M   
ziige, wenn sie auch  - H-' 's-  I; F  
selten eine F)ili;kichehDbar- H   ; s"zJ.s,z II- J  s   
stelluug ge un en a en.       Es- ;;s   
Ueberha11pt die ört-        
liche 1ln1gebnng! Sie  s-      
ist nnd bleibt noch im-     
mer der Angelpnnkt im    H,   
E1npfinden der seßl)af-  2;-   
ten Bevölkerung. Soll        
ein Bild im Bauern-  -       
hause künstlerische Wert-     '-Es 
scl)ä1g;i111g gewinnen, so  E-8i""  H  
muß es hier zunächst 
anknüpfen- indem es Abl1. li. Am Webstuhl. Von Franz Hein. 
sich zum Träger einer (Vcx1skg  r-kipzig.)
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.